„Die Mörder waren stärker als die Kultur“ Hilmar Klutes „Oberkampf“

Hilmar Klute war seit einiger Zeit nach Paris gezogen und genoss die bohemienhaft angehauchte Atmosphäre der französischen Hauptstadt, als am 7. Januar 2015 der Terror-Anschlag auf Charlie Hebdo, in unmittelbarer Nachbarschaft von Klutes Wohnung, alles änderte und Paris in den Ausnahmezustand versetzte.

Klute (der im Berufsleben Streiflicht-Chef der Süddeutschen Zeitung ist) berichtete journalistisch über die Geschehnisse. Das Erleben des schlagartigen Wechsels der Atmosphäre, die völlige Neujustierung einer ganzen Stadt nach einem traumatischen Ereignis aber war etwas, was Klute in etwas Größeres, in einen Roman fassen wollte.

Über die Jahre stellten sich das Personal des Buches ein und auch der Plot – Klute schrieb, feilte, gab das Manuskript ab und man einigte sich auf ein Erscheinen Ende August 2020. Es ist daher ein fast schon bizarrer Zufall, dass der Prozess gegen die Charlie Hebdo-Attentäter aufgrund der Corona-Pandemie auf den 2. September verschoben werden musste – und damit beinahe mit dem Erscheinungstermin des Buches zusammenfällt.

In Hilmar Klutes Oberkampf bildet das Jahr 2015 den zeitlichen Rahmen der Handlung, beginnend mit dem Umzug des Protagonisten Jonas Becker in ein kleines Apartement in der Rue Oberkampf, direkt um die Ecke der Charlie-Redaktion. Als kurz nach Jonas‘ Ankunft in Paris der grausame Anschlag geschieht, ist von der schwebenden Atmosphäre der Stadt auf einmal nichts mehr übrig.

Klute schickt seinen Romanhelden – einen Schöngeist, der sich in Paris dem Traum vom Leben als Schriftsteller verwirklichen will – in eine abgründige Welt, in der sämtliche Gewissheiten eine nach der anderen wegbrechen und sich schnell die Frage stellt: Wie kann es gelingen, unter diesen Umständen frei und selbstbestimmt zu leben? Überhaupt stellt Oberkampf – wie so viele gute Romane – mehr Fragen, als Antworten zu liefern. In leichtfüßigen, wunderschönen Sätzen schreibt Klute über die Brüchigkeit unserer Existenz, aber auch über die sinnstiftende Kraft von Kunst und Kultur.

Im Interview mit Joachim Scholl (Deutschlandfunk) sprach Klute u.a. auch über seine Zeit in Paris; in einer ersten Rezension im SRF lobte Michael Luisier: „Das ist alles sehr aus dem Leben.“ Wir können diesen Satz nur unterstreichen, denn auch wenn es sich bei 2020 um ein Jahr des Ausnahmezustands handelt, sind die schrecklichen Ereignisse aus 2015 nicht nur wegen des anstehenden Prozesses noch immer sehr präsent und haben unser Leben für immer verändert. Klutes Roman ist ein ebenso melancholischer wie komischer Versuch, dem Terror mithilfe von Literatur beizukommen.