EGO SUPER – Ego Politur – Track by Track

Mit ihrem neuen Album “Ego Politur” stellen Ego Super ihr aktuelles Therapieprogramm vor.

Ego Super - Psycho-Rap-Rock Trio aus Hannover mit neuem Album "Ego Politur" am 20. April
Ego Super – Psycho-Rap-Rock Trio aus Hannover mit neuem Album „Ego Politur“ am 20. April

Der Untertitel des psychoaktiven Frontcovers lautet “10 ml Antiegokomplexikum. Kann Spuren von Narzissmus und Größenwahn enthalten”. Das suggeriert bereits, dass es sich bei der Ego Politur um eine pharmakologisch unterstützte Psychotherapie mit Risiko zum Übers-Ziel-Hinausschießen handelt. 10 Stücke kreisen um das Spannungsfeld zwischen Selbstzweifel und Megalomanie. Was passiert, wenn das Ego sich in einer Krise befindet und Gedanken von Insuffizienz, Bindungs-, Vesagens- oder Ängsten, Verlassen zu werden, überhand nehmen? Was passiert, wenn das Ego bis zum Platzen aufgepimpt ist und man praktisch keinerlei Selbstzweifel mehr aufkommen lässt und vollkommen immun gegen jede Kritik von außen wird und sich folglich aufführt wie das omnipotente Alpha-Tier der hippsten Representer- Straße der Stadt? Genau um dieses Spannungsfeld geht es bei Ego Politur. Und natürlich um die zweifelhaften Bemühungen, den Zustand des Egos händisch zu verbessern, also das Ego zu polieren oder sich (deutlich besser noch!) aufpolieren zu lassen. Es geht um all die Höhenflüge, die so eine Ego Politur mit sich bringen kann, aber auch die Miseren, in die einen riskante Ego-Politur-Versuche stürzen können. Denn eine Ego Politur bleibt Chefsache! Man sollte sie besser in professionelle Hände geben, die wissen, sie fachgerecht durchzuführen. Machen Sie sich nicht mit stümperhaften Selbstrettungsversuchen zum Beta-Affen; konsultieren Sie den Therapeuten ihres Vertrauens.

Die Ego Politur beginnt mit einem sich wie ein Phoenix aus dem Gitarrensynthie-Geschwurbel-Sumpf erhebenden fiesen Stolperbeat, der nicht bekennt, ob er gerade oder geshuffled gemeint ist und darüber fängt Es‘ Rap an zu pöbeln und das heimlich winzigkleine Ego eines anonymen Styleopfers auseinanderzupflücken und sich gleichzeitig schamlos selbst zu feiern. Offensichtlich geht’s darum, sich erstmal Therapiekundschaft zu kreieren. Es geht um das Stück „Trend“. Es geht um Authentizität, um Individualismus vs. Mitläufertum, um die Rechtfertigung, unbeirrt weiter auf krachende Gitarren-Riffs zu pogen (wozu sich der Refrain bestens eignet). Scheißegal, dass sie gerade (bzw. wahrscheinlich schon seit mehr als 10 Jahren) nicht gerade im Trend liegen. Hauptsache die Bude brennt!

Aktuelles Video “Geilah Stylah“:

Musikalisch etwas überraschend geht das Album weiter mit „Geilah Stylah“, einer Art Dancehall-Persiflage. Thematisch schließt sich das Stück aber nahtlos an Trend an, denn es geht auch hier um Posertum und Fassade vs. Substanz in durchgentrifizierten In-Vierteln. Frei nach dem Motto: wie wär’s, wenn man all den Posern einfach mal die Ego-Luft ablässt oder in freudscher Symbolik: man ihnen einfach mal die Hosen runterzieht und nachguckt, wie groß er denn ist? Aber, wenn sie es bei einem selbst tun? Oh weia, na hoffentlich passiert es nicht… Geilah Stylah ist auch die erste Single-Auskopplung aus Ego Politur. Im Video zeigen Ego Super, dass sie nicht nur Style-Kritik sondern auch probate Remidur im Gepäck haben! Es ist zu sehen, wie die Style-lose und unsichere Wurst (Haupt-Darsteller und Regisseur Golo Hennig) in seiner Kackkarre vorfährt und im Style-Institut von Ego Super einfach mal eine Ego Politur und ein Streifenshirt verpasst bekommt. Seine dreckig-weiße Schrottkarre wird indes durch schwarze Gaffer-Streifen vollkommen Ego-mäßig aufpoliert. Am Ende ist Golo der heißeste Typ der Stadt. Streifen machen geil. So einfach ist die Welt.

Danach geht’s weiter mit easy Disco Vibes in dem tanztherapeutischen Kopfnicker-Groove-Hit “Tanzen”. Ego aufpolieren durch Versprühung von Libido, kosmischen Gemeinschaftsgefühls und universal Love in the Discoteque und selbst-empfundener Über-Freshness der eigenen Dance-Moves.

Wie der Kater am nächsten Tag nach der Feierei, folgt direkt auf “Tanzen” der Amotivations-Song “Kein Bock”. Kein Bock auf Stress, kein Bock auf Karriere-Terror, kein Bock auf Arbeit, kein Bock auf den ewigen Schwanzvergleich. Einfach mal auf alles scheißen und die Seele baumeln lassen. “Kein Bock” ist wahrscheinlich der straighteste Rock-Song auf dem Album mit Anleihen bei Surf, Stoner-Rock und (ja, tatsächlich) ein bisschen Indie. Perfekt, um der crazy Welt mal eine Absage zu erteilen, blau zu machen und sich einfach mit ‘ner Flasche Rum an den Strand zu legen und den Wellen zuzugucken.

„Das Wagnis“ ist gewissermaßen die „Power-Ballade“ des Albums. Die nachdenklichen, und klanglich durch lange Kellergänge geschickten Strophen erinnern wegen der ungewöhnlichen Gitarrenakkorde und elegischen Stimmung ein wenig an Radiohead. Die Refrains sind möglicherweise die einzigen Stellen auf dem Album, in denen beinahe eine Spur von Pathos aufzukommen scheint. Klar, es geht um ernste Themen. Das  wiederkehrende Muster von Ups and Downs in Beziehungen und die Frage, wann man endlich die Eier hat und sich traut, wichtige Fragen zu stellen bzw. wichtige Bekenntnisse zu machen.

Die „Frühlingsgefühle“ sind auf dem Album der Einstig in die dunkle Seite und die erste explizite Thematisierung des Egokomplexes. Irgendwo zwischen oldschooligem Rap und den ironischeren Stücken von Sido ordnet sich dieser stark Groove-betonte und hookige Track ein und handelt von der Macht der Hormone im Frühling, die dazu verleiten (natürlich auf der Suche nach Ego Politur) übertrieben dem anderen Geschlecht nachzustellen und sich üppigen Sauf- und Feierexzessen hinzugeben. Und, naja, auch von (nur) Teilerfolgen…

Der Titeltrack „Ego Politur“ ist eine Hommage an das bretternde und schlackernde tiefergelegte Gitarren-Riff und handelt von der Schattenseite der Ego Politur oder dem Resultat davon, zu viel Ego zu haben. Rap in abgehangenster, demotiviert-überheblicher Proleten-Attitüde durch das runtergefahrene, verdunkelte Fenster des tiefergelegten mattiert golden schimmernden Benz’, die fette goldene Uhr am behaarten Unterarm. Unantastbarer End-Boss im eigenen egozentrischen Kosmos.

Der „Geräteschuppen“ ist der Abstieg in die dunkelsten Kammern der Psyche und der textlich gewagteste Track auf dem Album. Scheinbar in Metaphern zensiert das Ich kryptische Wünsche von ganz unten und artikuliert sie über einen verschrobenen Sound zwischen dengeligem Rock, Dubstep und schiebend bouncendem Industrial Rap. Nicht verhindern kann es, dass verstörende runtergepitchte Botschaften, Hämmern, Schweißen und Sägen aus dem Geräteschuppen hervordringen und Einblicke in das rätselhafte Geschehen im Inneren des Heimwerkers zulassen.

„Amputation“ ist ein crisper, tanzbarer, treibender Rock Song über psychische Selbstverstümmlung und die Trennungsphase von Beziehungen, die immer mehr zur Qual werden. Die Phantomschmerzen, die der Amputation folgen, sollen im Refrain im Techno Club weg gestept werden.

Das Album endet mit der winterlichen Vanitas Ballade „Reste“, einer merkwürdig mäandernden, vielschichtigen Komposition, die von Sehnsucht, Kommunikationsstille und unverstandenem Kontaktabbruch, aber auch von Kapitulation und Akzeptanz zu handeln scheint. Es schichten sich etliche Gitarrenebenen, Synthies und Chöre, die untermauert werden von künstlichen und programmierten Drums, die einen Herzschlag andeuten. Schließlich endet das Stück in einem ausgedehnten Outro und mit ihm zusammen endet das Album in einem weiten, verhallenden Nebel.

Mitgewirkt an Ego Politur haben unter anderem Produzent David Raddish (Moop Mama, Leyya) und Mischer Johannes “Giovanni” Maurer (u.a. Bilderbuch). Das Mastering stammt von Ludwig Maier, GKG Mastering. Das Artwork wurde von Arif Demir entwickelt und das Bandfoto im Digipak Inneren stammt von Nils Brederlow.

Mehr Infos unter:
www.egosuper.de
www.facebook.com/egoistsuper
www.instagram.com/ego_super_band