Koenigskinder ENGELBERT HUMPERDINCK CD Cover

Engelbert Humperdinck „Königskinder“

Vierzehn Opern und Singspiele komponierte Engelbert Humperdinck, der 1854 in Siegburg als Sohn eines Gymnasiallehrers und einer Kantorentochter geboren wurde.

Koenigskinder ENGELBERT HUMPERDINCK CD Cover
ENGELBERT HUMPERDINCK (1854 - 1921) · KÖNIGSKINDER Märchenoper in drei Aufzügen (1897 / 1907 - 1910)
Sechs davon sind Märchenopern, eine blieb bekannt: ›Hänsel und Gretel‹. Der Schatten des Erfolgswerks verdeckt andere, die für ihre Qualität und Theaterwirkung gleiche Aufmerksamkeit verdienten, etwa die ›Königskinder‹. Sie sind wie eine Ergänzung auf die Rückseite von ›Hänsel und Gretel‹ geschrieben.

Das Trio der Hauptakteure gleicht sich: eine (böse) Hexe und zwei junge Leute, die durch harte Prüfungen auf den existenziellen Ernst des Lebens hingeführt werden. Die einen schaffen den Schritt ins Leben, die andern scheitern, weil sie zu gut sind für diese Welt. Die Oper ›Hänsel und Gretel‹ findet zum happy end, die ›Königskinder‹ enden tragisch; die Trauer darüber komponierte Humperdinck lang und ausführlich aus.

Wenn in der Schlusssequenz der knapp dreistündigen Oper erst der Spielmann sein letztes Lied singt, dann die Kinder aus der Stadt den jungen Toten im Abendrot des winterlichen Berges ihr »Königskinder, Königskinder« nachrufen, wird jeder gerührt und ergriffen.

Noch ehe sie ihre Liebe, ihre hohe ethische Einstellung und ihren sozialen Rang verantwortlich leben können, scheiden diese beiden Guten aus der Welt. Das Libretto schrieb Elsa Bernstein- Porges 1894 unter ihrem Pseudonym Ernst Rosmer. Sie kam aus einem musikalischen Haushalt. Ihr Vater Heinrich Porges (1837–1900), Dirigent und Musikschriftsteller, in einer Prager jüdischen Familie aufgewachsen, angeblich ein unehelicher Sohn Franz Liszts und damit Cosima Wagners Stiefbruder, war ein glühender Anhänger Richard Wagners.

Als solchen berief ihn König Ludwig II. von Bayern 1867 als Hofkapellmeister nach München, wo die Familie fortan lebte. Zuvor war sie, noch in Wien, vom jüdischen zum evangelischen Glauben übergetreten.

1880 gehörte Porges mit Engelbert Humperdinck zum Assistentenstab, der die Bayreuther ›Parsifal‹-Uraufführung vorbereitete. Elsa Porges, 1866 in Wien geboren, wuchs in München auf.

Eine Laufbahn als Schauspielerin brach sie wegen eines Augenleidens ab und konzentrierte sich fortan auf das Schreiben insbesondere von Dramen. Aus dem Umkreis des Naturalismus bewegte sie sich immer mehr Richtung Symbolismus und Impressionismus.

Im Oktober 1890 heiratete sie Max Bernstein, als Geheimer Justizrat ein angesehener Anwalt, im Nebenberuf Schriftsteller. Bis zu seinem Tod 1925 unterhielt er mit seiner Frau einen literarisch-musikalischen Salon in der Brienner Straße im Herzen Münchens. Sie führte diesen bis zum Jahre 1939 weiter. Dann musste sie auf Anordnung der Nationalsozialisten ihre Wohnung aufgeben. Angebote, in die USA zu emigrieren, schlug sie aus, weil ihrer Schwester die Ausreise verweigert wurde.

Die enge Beziehung zur Familie Wagner und die Tatsache, dass ihre Tochter mit dem Sohn des Dichters Gerhard Hauptmann verheiratet war, bewahrte sie nicht vor der Lagerhaft.

Am 25. Juni 1942 wurde sie, 76-jährig und praktisch blind, mit ihrer Schwester Gabriele erst nach Dachau, dann nach Theresienstadt deportiert. Gabriele Porges starb nach wenigen Monaten.

Elsa Bernstein erhielt – angeblich auf Intervention Winifred Wagners – den »Prominentenstatus« und überlebte. Sie starb am 2. Juli 1949 bei ihrer Tochter in Hamburg. Die ›Königskinder‹ zählen zur ersten Gruppe ihrer Dichtungen. Zunächst waren sie als Schauspiel gedacht.

Heinrich Porges sprach 1895 Engelbert Humperdinck wegen einer Bühnenmusik an. Der sagte zu, überdachte die Art der Komposition und entschloss sich für ein Melodram. Darin kamen praktisch alle Abstufungen im Verhältnis von Sprache und Musik von normaler Rede bis zum Gesang vor. Die Fassung erntete bei ihrer Premiere in München guten Erfolg. Dennoch wagten nur wenige Opernhäuser, sie nachzuspielen. Humperdinck entschloss sich zehn Jahre später, das Werk zu einer Oper umzuarbeiten.

Der Text musste gekürzt, die Linien der Handlung vereinfacht werden. Elsa Bernstein ließ dem Komponisten dabei freie Hand.

So entstand zwischen 1907 und 1910 die Oper ›Königskinder‹. Der Form nach baut sie auf Wagners Musikdramen auf, bezieht sich hörbar auf dessen Werke, auf die Harmonik und Zeitgestaltung in ›Tristan und Isolde‹, auf die Festszenen der ›Meistersinger‹. Humperdinck übernahm nicht die streng zuordnende Komposition mit Leitmotiven, die Personen, Beziehungen oder Handlungsweisen charakterisieren. Er ersetzte sie durch »Erinnerungsmotive « und atmosphärisch-klangliche Entsprechungen, die der Musik größere Beweglichkeit lassen.

Deutlicher als Wagner setzte er Stilebenen zur Kennzeichnungen dramatischer Milieus ein. Der zweite Akt trägt eine vollkommen andere Grundfarbe als der erste, der dritte unterscheidet sich trotz aller Querbezüge erkennbar von den beiden anderen.

Der Volkston ist in diese Stilistik bruchlos einbezogen. Einzelne melodramatische Elemente übernahm der Komponist auch in die Oper, kurze gesprochene Passagen, vor allem aber die Komposition des Zeiterlebens, die dramatischen Verdichtungen im zweiten Akt und die nachsinnenden Dehnungen am Schluss.

Zwischen Wagners ›Tristan‹, Debussys ›Pelléas et Mélisande‹ und Richard Strauss‘ ›Elektra‹ markieren die ›Königskinder‹ eine eigene Position in einer Zeit des geschichtlichen Umbruchs. Habakuk Traber Synopsis

I. Akt: Vor der Hütte der Hexe im Hellawald

Tief im Wald in den Hellabergen, weit weg von den Wohnsiedlungen der Menschen, lebt ein junges Mädchen bei einer Hexe, die sich als seine Großmutter ausgibt. Vater und Mutter seien tot.

Die Waise, in Wirklichkeit königlicher Herkunft, dient als Gänsemagd. Ihre Sehnsucht, zu den Menschen zu kommen, beantwortet die Hexe mit einem Bann, der das junge Mädchen an die Waldgegend bindet, und mit dem Befehl, aus giftigen Zutaten ein unverderbliches Brot zu backen. Während einer kurzen Abwesenheit der Hexe trifft ein Königssohn, der aus dem Wald kommt, die Gänsemagd. Sie lieben sich, er will sie mit sich nehmen, doch sie kann sich vom Bann nicht befreien.

Die Hexe erfährt von der Begegnung und sperrt die Gänsemagd ein. Spielmann, Holzhacker und Besenbinder – Vertreter von Berufen am unteren Ende der sozialen Skala – erzählen, dass die Leute in Hellabrunn einen König wollen, und fragen die Alte um Rat. Wer am nächsten Tag zur Mittagsstunde durchs Tor die Stadt betrete, werde der wahre König sein, prophezeit sie. Der Spielmann klärt die edle Herkunft der Gänsemagd auf, sie berichtet den Gästen vom Besuch des Königssohns. Nunmehr gewiss, dass sie die Königinnenwürde verdiene, zieht sie mit dem Spielmann los, um den Königssohn zu suchen.

II. Akt: Auf dem Stadtanger von Hellabrunn

Hellabrunn bereitet ein Fest vor: Man erwartet den Einzug des Königs, wie von der Hexe verheißen. Der Königssohn ist schon in der Stadt, als Bettler übernachtete er im Schweinestall des Wirts, dem er seine Dienste anbietet; er nimmt sogar die Arbeit als Schweinehirt an, denn ein künftiger König müsse sich in der Niedrigkeit der Existenz bewähren.

Er wehrt die Zudringlichkeit der Wirtstochter ab, träumt von der Gänsemagd. Die Stadttore werden verschlossen gehalten, damit keiner die Mittagsstunde abpasse, um sich zum König zu machen. Die Argumente des Prinzen in Bettlergestalt, dass man einen König nicht an äußerer Pracht erkenne, weil er auch als Armer verkleidet kommen könne, beantwortet das Volk mit Hohn. Zum Schlag der Mittagsglocke zieht die Gänsemagd mit ihren Tieren durchs Tor. Der Königssohn begrüßt sie als Königin und schließt sie in die Arme. Die Menge will die beiden nicht als Herrscherpaar anerkennen und jagt sie aus der Stadt. Der Spielmann, der für sie argumentierte, wird gefangen genommen und misshandelt. Nur das Töchterchen des Besenbinders erkennt, dass sie die Könige waren.

III. Akt: Vor der Hütte der Hexe Winter.

Die Hütte der Hexe ist vom Hellabrunner Mob demoliert, die Fenster eingeworfen, die Hexe selbst verbrannt. In der Hütte haust der Spielmann, der aus der Stadt verbannt wurde. Holzhacker, Besenbinder und die Kinder wollen ihn zurückholen. Er verspricht, mit den Kindern das junge Königspaar zu suchen. Derweil kommt der Königssohn, in ein Bärenfell gekleidet, mit der Gänsemagd auf dem Arm über den Berg zur Hütte. Er bittet um Essen und Trinken für die Kranke. Der Holzhacker weist ihn ab. Der Königssohn zerschlägt die Krone und bietet Gold für etwas Nahrung.

Holzhacker und Besenbinder geben ihm das Brot, das die Gänsemagd einst für die Hexe backen musste. Beide essen davon und sterben. Der Spielmann setzt die Bruchstücke aus Gold zur Krone zusammen, sucht nach den Königskindern, findet sie tot im Winterwald und nimmt mit den Kindern aus der Stadt Abschied von ihnen.

CD 1 – I. Akt: Vor der Hexenhütte im Hellawald
1 Einleitung ›Der Königssohn‹ . [5‘42]
2 Hexe, Gänsemagd ›He Trulle! Wo mag sie nur stecken?‹ . [10‘40]
3 Gänsemagd ›Ach, ich bin allein!‹ . [2‘55]
4 Königssohn, Gänsemagd ›Ich biete dir gute Zeit, schöne Gänsekönigin!‹ . [18‘26]
5 Hexe, Gänsemagd ›Hörst du nicht?‹ . [2‘16]
6 Spielmann, Hexe, Holzhacker, Besenbinder ›Drei Narren zogen aus‹ . [9‘59]
7 Hexe, Spielmann, Gänsemagd ›Was packst du dich nicht mit deinen Gesellen?‹ . [9‘33]

CD 2 – II. Akt: Auf dem Stadtanger von Hellabrunn
1 Einleitung ›Hellafest und Kinderreigen‹ . [3‘06]
2 Stallmagd, Wirtstochter, Königssohn ›Jungfer, das ist ein Leben in der Stadt!‹ . [7‘25]
3 Königssohn ›Ei, ist das schwer, ein Bettler sein!‹ . [3‘51]
4 Einige Burschen, Torwächter, Mädchen, Wirt, Stallmagd, Königssohn, Kinder
›Torwächter, macht uns auf!‹ . [4‘14]
5 Volk, Wirt, Stallmagd, Kinder, Besenbinder, Holzhacker ›Vivat der Holzhacker!‹ . [2‘57]
6 Töchterchen des Besenbinders ›Du! Mann!‹ . [1‘55]
7 Volk, Ratsältester, Königssohn, Holzhacker, Schneider, Besenbinder,
Kinder, Wirt, Wirtstochter ›Die Ratsherren kommen‹ . [7‘40]
8 Ratsherren, Königssohn, Holzhacker, Besenbinder, Frau, Schneider, Gänsemagd,
Stallmagd, Wirtstochter, Wirt, Spielmann, Volk, Ratsältester,
Töchterchen des Besenbinders ›Die Glocken! Mittag!‹ . [6‘37]

CD 3 – III. Akt: Vor der Hütte der Hexe
1 Einleitung ›»Verdorben – gestorben« – Spielmanns letzter Gesang‹ . [9‘20]
2 Spielmann ›Meine grauen Täublein!‹ . [2‘20]
3 Holzhacker, Spielmann, Besenbinder, Töchterchen des Besenbinders, Kinder
›Hier, Besenbinder, hier ist die Wende.‹ . [12‘05]
4 Gänsemagd, Königssohn, Holzhacker, Besenbinder ›Du Lieber!‹ . [3‘39]
5 Gänsemagd, Königssohn ›Wir sind Bettler!‹ . [10‘21]
6 Königssohn, Gänsemagd, Holzhacker, Besenbinder ›Einst hatt ich Gold‹ . [3‘48]
7 Königssohn, Gänsemagd ›Hast schon wieder ein wenig Rot‹ . [9‘01]
8 Spielmann, Holzhacker, Besenbinder, Töchterchen des Besenbinders, Kinder
›Tapfer, ihr Kinder, voran!‹ . [7‘53]
Gesamt . [156‘00]

ENGELBERT HUMPERDINCK (1854 – 1921) · KÖNIGSKINDER

Märchenoper in drei Aufzügen (1897 / 1907 – 1910)
Text von Ernst Rosmer (Pseudonym für Elsa Bernstein-Porges)

KLAUS FLORIAN VOGT, Tenor. Königssohn
JULIANE BANSE, Sopran. Gänsemagd
CHRISTIAN GERHAHER, Bariton. Spielmann
GABRIELE SCHNAUT, Mezzosopran . Hexe
ANDREAS HÖRL, Bassbariton. Holzhacker
STEPHAN RÜGAMER, Tenor. Besenbinder
SOPHIA SCHUPELIUS. Töchterchen des Besenbinders
(Solistin des Berliner Mädchenchors) .
WILFRIED STAUFENBIEL, Bass. Ratsältester
ANTE JERKUNICA, Bass. Wirt
JACQUELYN WAGNER, Sopran. Wirtstochter
RENÉ VOSSKÜHLER, Tenor. Schneider
MANUELA BRESS, Mezzosopran. Stallmagd
SÖREN VON BILLERBECK, Bariton. Torwächter
WOLFRAM TESSMER, Bariton. Torwächter
ROKSOLANA CHRANIUK-WIJA, Alt. Frau
RUNDFUNKCHOR BERLIN
(Einstudierung / Chorus Master: Nicolas Fink)
BERLINER MÄDCHENCHOR
(Einstudierung / Chorus Master: Sabine Wüsthoff)
DEUTSCHES SYMPHONIE-ORCHESTER BERLIN