Gabby Young & Other Animals – CD Cover

Gabby Young & Other Animals – „We’re all in this together“

Big schrill! Gabby Young & Other Animals sind definitiv anders und deswegen nur schwer einzuordnen.

Gabby Young & Other Animals – CD Cover
Gabby Young & Other Animals – "We're all in this together"
Notorische Schubladenzieher haben mit den exzentrischen Briten denn auch ihre liebe Müh und Not, keine der gängigen Etikettierungen will so recht zu ihnen passen. Am ehesten trifft es wohl der Begriff „Circus Swing“, den Fans im United Kingdom eigens für ihre Landsleute prägten.

Zirzensisch geht es auf dem Debüt „We’re All In This Together“ in der Tat zu. Die zierliche Frontfrau Gabby Young und ihre Begleiter an Klarinette, Trompete, Posaune, Kontrabass, Mandoline, Banjo etc. jonglieren artistisch mit Ragtime und Big-Band-Bombast, Mazurka und Operndramatik, Varieté und Vaudeville, Kirmeswalzer und Backen voller Balkan-Blasmusik. Was für ein buntes Treiben! Wenn die Formation aus London loslegt, weiß man im Voraus nie, wo man landen wird.

Die Unvorhersehbarkeit hat Methode, und das Vereinen von scheinbar Unvereinbarem macht den jungen Musikern ganz offensichtlich einen Höllenspaß. Mit diebischer Freude wechseln sie übergangslos zwischen Dixieland-Anklängen („Ladies Of The Lake“), morbiden Akustikfolk-Balladen (im Titelstück), Swingjazz in Schieflage („Sour“) und unwiderstehlichen Pop-Ohrwürmern („Lipsink“).

Die Liedertexte aus Gabby Youngs Feder sind nicht minder ungewöhnlich. Ihre einzigartige Sicht der Welt entspringt der Fantasie genauso wie wirklichen Ereignissen um sie herum.

Mit ihrer mehrere Oktaven umspannenden Stimme, die vom Jazz-Crooning bis zu opernhaften Spitzentönen alles drauf hat, singt die Engländerin von ihrer Tollpatschigkeit („Umm …“), dem Rätsel der eigenen Persönlichkeit, das einfach nicht zu lösen ist („Maybe“), Dämonen im Inneren, die sie regelmäßig heimsuchen („Whose House“), oder auch ihrem imaginären Freund, einem grummeligen Miesepeter, der ihr mit seiner schlechten Laune tierisch auf die Nerven geht („Lipsink“). Nicht unbedingt die üblichen Songthemen, stimmt’s?

Gabby Young erblickte 1984 in Bath in der Grafschaft Wiltshire das Licht der Welt. Als Kind versuchte sie sich am Klavier, an Geige und Saxophon, sehr bald wurde ihr jedoch klar, dass das Singen ihre wahre Berufung ist. Schon mit elf war Gesang ihr Leben.

Mit zwölf wurde sie als jüngstes Mitglied aller Zeiten an der National Youth Opera aufgenommen. Gabby war bereits auf dem besten Weg zur Opernsängerin, als ihr die Begeisterung für Jeff Buckley und die Meister der Jazzvergangenheit dazwischenkamen und sie auf ein anderes Gleis setzten.

Noch im Teenageralter ging sie zu open mic nights und schloss sich diversen Bands an, bevor sie ihren 21. Geburtstag feierte nahm sie im heimischen Schlafzimmer die ersten Solosongs auf. Ein Jahr später schlug das Schicksal aus heiterem Himmel kräftig zu: Bei Gabby wurde Schilddrüsenkrebs diagnostiziert, sie musste sich einer Operation ganz in der Nähe der Stimmbänder unterziehen, der Traum von einer Künstlerkarriere schien wie ein Kartenhaus in sich zusammenzufallen.

Doch so seltsam es klingen mag, gerade die schlimme Erkrankung (die glücklicherweise erfolgreich bekämpft werden konnte!) gab Gabby die Energie, ernsthaft an eigenen Songs zu arbeiten. Die Zeit der Rekonvaleszenz nutzte sie zum Schreiben neuer Melodien und zum Verarbeiten der schweren Zeit in sehr persönlichen Lyrics, nachzuhören etwa im beklemmenden Titel „Too Young To Die“.

2008 gründete Gabby Young in der Themsemetropole ihre Begleitband Other Animals und vervollständigte so den magischen musikalischen Jahrmarkt, wie wir ihn heute kennen. Es folgten Auftritte auf Festivals wie dem Barbican (London), WOMAD, in Glastonbury, beim SXSW (= South By Southwest; Austin) und der Canadian Music Week (Toronto) sowie Konzertreisen durch Japan und Australien. Egal wo die Showbiz-Neulinge auch hinkamen, überall hatten sie das Publikum mit ihrer mitreißenden Bühnen-Performance schnell für sich gewonnen.

Insbesondere Gabby Young war mit ihrem flammend roten Haar und den grellen Vintage-Kostümierungen (viktorianische Korsagen, Tüllröckchen, bonbonfarbene Minihüte) ein echter Blickfang. Diese auffällige Erscheinung vergisst man so schnell nicht.

Nach dem Live-Durchbruch jetzt also die internationale Veröffentlichung des Debütalbums. Das im Selbstverlag herausgegebene „We’re All In This Together“ wurde zunächst nur im eigenen Webshop verkauft, nach dem Sensationserfolg der spektakulären Live-Show und Elogen in großen Tageszeitungen und Musikblättern auf der Insel hat inzwischen jedoch eine Major Company den Vertrieb im großen Maßstab übernommen.

Mit Erscheinen in unseren Breitengraden ist ein weiterer Schritt zur Weltkarriere getan. Man muss wohl kein Prophet sein, um Gabby Young & Other Animals auch unter hiesigen Musikliebhabern eine treue Gefolgschaft vorauszusagen. Keine Frage, 2011 wird als the year of circus swing in die Annalen eingehen.