Haftbefehl - Credits: Brede

Haftbefehl „Das weiße Album“

„Der deutsche Dichter der Stunde“ (Die Zeit) ist gekommen, um zu bleiben. Am 24. April erscheint das neue Haftbefehl-Album „Das weiße Album“, es ist das meisterwartete Deutschrap-Album des Jahres. Der erste Song „Bolon“ ist heute erschienen mitsamt eines ersten visuellen Eindruckes.

Haftbefehl - Credits: Brede
Haftbefehl – Credits: Brede
Es ist natürlich absolut nicht übertrieben, wenn man sagt: Kein Deutschrap-Album seit ungefähr immer wird so sehnsüchtig erwartet wie „Das weiße Album“. Nun gingen das von Chehad Abdallah kreierte Artwork und ein Teaser-Video zur ersten Single „Bolon“ vorab live, die Tracklist hatte Baba Haft bereits vor einigen Tagen gepostet.

Der Song beginnt mit einem verstimmt klingenden Zeitlupen-Klavier. Wie aus der sprichwörtlichen Cloud dringt Baba Hafts erschöpft klingende Reißnagelstimme aus weiter Ferne an unser Ohr: „Gib mir eine Tonne weiße Ziegelsteine und ich baue ein Iglo/Ich hab mehr Weißes gesehen als ein Eskimo.“ Das Lachen bleibt einem hier also gleich mal im Halse stecken. Es geht natürlich um Kokain, genauer gesagt um kiloweise davon. Haftbefehl zählt Transportrouten auf, eine Internationale des Kokains, das irgendwann zuverlässig in Frankfurt landet.

Auf der offensichtlichsten Ebene ist „Bolon“ ein genretypischer Straßen- und Gangsta-Song. Tatsächlich – und hier liegt bereits die besondere Kraft dieses Mannes – ist es eine Sozialstudie aus Sicht eines gleichzeitig Betroffenen und Handelnden. Haftbefehl ist jener seltene Typus Künstler, der über den Dingen agiert, der musikalische Moden und Trends eher definiert als von ihnen abhängig zu sein. Der Mann hat seine eigene Sprache.

Auch sonst geht es auf „Das weiße Album“ meist kopfüber durch die Nacht. Die erste Hälfte überwiegend Rausch und Tempo, auf der zweiten kommt der Absturz danach, der Zweifel, der Schmerz und die Depression. Mit seinem Sparringpartner Bazzazian, der bereits „Russisch Roulette“ produziert hatte, hat Haftbefehl endlose Stunden im Studio zugebracht und nicht weniger als sein Opus Magnum produziert. Wie es dort zuging, davon vermittelt eine Sequenz aus dem Song „RADW“ einen Eindruck: „Bruder, du baust den Beat“, sagt Baba Haft dort, „du versuchst, so laut wie möglich den Beat zu machen und ich schrei einfach rein, Bruder. Und wir kämpfen einfach, eins gegen eins.“

Haftbefehl – Bolon (Musikvideo/Albumtrailer)

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Musik als Kampf: Die Beats und Sounds, die Bazzazian dazu findet, sind mal hymnisch, mal nervös zuckend. Ein bisschen ist dieses Album wie der Film „Victoria“: ungeschnitten, manchmal tut es weh, erhaben, wahrhaftig und mitreißend ist es in jeder Note.

„Das weiße Album“ von Haftbefehl ist also ein Album im klassischen Sinne, ein Ereignis auf gleich mehreren Ebenen, auch deshalb ist der Titel weder vermessen noch unpassend. Haftbefehl nimmt im deutschen Hip-Hop eine Sonderstellung ein. Das kann man unter anderem daran erkennen, dass überhaupt so sehnsüchtig auf neue Musik von Haftbefehl gewartet wird.

Das letzte Haftbefehl-Album „Russisch Roulette“ erschien 2014 und erreichte die Top 5 der Charts. Fünfeinhalb unglaubliche Jahre! Das ist nicht nur im Rap-Game, sondern ganz allgemein in einer sich immer schneller drehenden Musikwelt nicht weniger als eine Ewigkeit. Auch wenn Haftbefehl natürlich gemeinsam mit Xatar 2016 noch das Nummer-Eins-Album „Der Holland Job“ veröffentlichte.

Haftbefehl steht über allen Szenen und ein bisschen auch über den Dingen, oder besser: er schwebt über ihnen. Er hat seinen Vater verloren als er 14 war, brachte die Familie anschließend mit Straßendeals durch und füllte reihenweise Prozessakten, wurde per „Haftbefehl“ gesucht.

In seinem zweiten Leben berichtet er als Kunstfigur Haftbefehl in einem multiethnischem Sprachmix von literarischer Qualität vom Leben in der Kriegszone Straße – und erreicht so ein Millionenpublikum. Haftbefehl beschreibt auf „Das weiße Album“ den schmutzigen Glamour der Straße, das macht seine Kunst interessant für das Bürgertum und seine Sehnsucht nach Verruchtheit. Aber er idealisiert dieses Leben nicht, bei ihm finden auch der Schmerz und die Schattenseiten ihren Platz. Insofern ist Haftbefehl der Charles Bukowski unter den deutschen Rappern.

Nun hat Haftbefehl mit den 14 Songs von „Das weiße Album“ alle Stränge seiner Kunst zu einem strahlenden und funkelnden Monolith verdichtet.

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