KAFKAS Album „St. Helena“

Was macht man, wenn man aus einem winzigen Dorf bei Fulda kommt, das nicht einmal eine Gaststätte vorzuweisen hat, beim Fußball gleichzeitig zu uninteressiert als auch untalentiert ist, kein Blut sehen kann und somit auch bei der Jugendfeuerwehr keine Karriere machen kann?

KAFKAS mit Video Premiere “Kein Meer“ und neuem Album “St. Helena“
KAFKAS mit Video Premiere “Kein Meer“ und neuem Album “St. Helena“

Richtig: dann gründet man eine Band. Als Besitzer eines unfrisierten Mofas brachte man eine gewisse Subversivität, Rebellentum und Ausgegrenztheit mit und so lag es auf der Hand, 1995 als Punkband anzutreten und sich bei der Namensgebung auf die Person Franz Kafka zu beziehen, um das System zu stürzen. Und um die ländliche Idylle zeitweise gegen unvorhersehbare Abenteuer zu tauschen.

Von Anfang an verstand man es, Klischees zu brechen und eigene Regeln aufzustellen. Doch es lief erstaunlich gut. Getreu dem Motto „Wir waren jung und brauchten kein Geld“ erschienen alle Veröffentlichungen auf dem bandeigenen Label „Domcore“. Ab 1998 war die Band auch die Brötchengebemaschine eines Einmannunternehmens.

Vertrieben wurden die Tonträger zunächst über CARGO, seit 2010 ist BROKEN SILENCE der Vertrieb und treue Partner. Ein Management oder einen Produzenten hat die Band bis heute nie gehabt. Angebote für einen Plattenvertrag gab es regelmäßig. Doch irgendwie passten die eingegangenen Angebote alle nicht. Zum einen aus Angst vor schlimmen Erfahrungen und zum anderen, weil Kafkas das „Do It Your Self“-Ding wirklich lebten.

Kafkas Kein Meer Cover_500Außerdem fühlte sich die Band wirklich wohl mit dem was sie tat und wie es war. So gab es keinen Grund etwas zu verändern. Also hieß es Päckchen packen im Hause Kafkas. Markus behauptet, einen irreparablen Rücken- und Fingergelenksschaden von den Postbearbeitungsarbeiten erlitten zu haben.

Inzwischen wurden ein paar hundert Konzerte gespielt. In jedem Dorf Deutschlands wurde die Message verbreitet. Auch Österreich, Ungarn, Schweiz, Luxemburg, Bulgarien und Belgien blieben nicht verschont.

Eine Anfrage für eine Kanadatour konnte die Band nicht annehmen, da der Schlagzeuger bereits mit seinen Kirmesburschen verplant war.

Eine Anfrage für eine Indonesientour konnte die Band nicht annehmen, da der Schlagzeuger bereits mit seinen Kirmesburschen verplant war. Eine Anfrage für eine Japantour als Support für die Dead Kennedys konnte die Band nicht annehmen, da der Schlagzeuger bereits mit seinen Kirmesburschen verplant war.

Sofern ein einsatzbereiter Schlagzeuger vorhanden war, spielte die Band alles und überall: kein Club war zu klein oder zu schmutzig. Dreimal wurde die Band von der kanadischen Band Propagandhi als Toursupport eingeladen.

2008 wurden der Band die Szeneerwartungshaltungen zu eng. Es kam das Gefühl auf, musikalisch nicht frei zu sein. Da Sänger Markus neben seinen Aktivitäten für Kafkas auch Konzerte für andere Bands und Künstler veranstaltet, sah er in den Backstageräumen sehr viel Diskrepanz zwischen dem, was auf der Bühne und dem was hinter der Bühne gelebt und vertreten wird. Diese Erfahrungen prägen und führen dazu, sich selbst von so etwas auch aus Selbstschutz abgrenzen zu wollen.

Die Band begann elektronische Elemente in die Musik aufzunehmen. Das war für das bisherige musikalische Umfeld eine Kampfansage, die die Band verfasste, um zu zeigen, worum es wirklich geht. Nicht um Verkaufszahlen und nicht um Schulterklopferei oder Schmeicheleinheiten für das persönliche Ego, sondern um Leidenschaft an Musik und dem aufrichtigen Wunsch etwas auf diesem Planeten positiv verändern zu wollen.

Die Band setzte sich schon immer für die Schwächsten unseres Planeten ein und wurde dabei immer mal wieder missverstanden, manchmal auch bewusst verzerrt. Immer mehr wuchs die Erkenntnis, dass damit die Rechte der Schwächsten Gehör finden und möglichst viele neue Leute erreicht werden müssen. Aus dem Bewusstsein einer Minderheit muss Mainstream werden. Daher war es für Kafkas klar, dass man aus ästhetischen und ethischen Gründen einen musikalischen Wandel vollziehen müsse. Und wenn ein Radiosender KAFKAS spielte, war das Feedback in der Regel erstaunlich und bemerkenswert positiv, was zeigte, dass es doch weit mehr Menschen gibt, die auf solch eine Band gewartet haben. Eine Band die beweist, dass eingängige und schöne Popmusik auch anders sein und klingen kann.

So sagte in einer Musikwunschsendung ein Hörer bezeichnenderweise „Kafkas machen genau die Radiomusik, wie man sie sich im Radio auch wünschen würde!“. Schon mit dem Musikvideo zu „Klatscht in die Hände“ waren Kafkas 2010 nicht nur auf MTV in den Videocharts. Die Band wurde in der Sendung „Rockzone“ von den Zuschauern bis auf Platz 1 – vor Metallica und Green Day – gewählt. Seitdem ist Bassist Andreas Agnes Kafka etwas arrogant und lässt gelegentlich die oberen Hemdknöpfe offen.

2015 wurden Kafkas im Rahmen der Musikmesse von www.drums.de in der Kategorie „Newcomer“ nominiert. Die Band kam ins Finale des Musikfachawards neben Bands wie ECHOSMITH und bekam auch einen äußerst hübschen Preis.

Kafkas – Kein Meer (offizielles Video)

2014 entschloss sich die Band, zukünftig ohne Schlagzeuger arbeiten zu wollen. „Schlagzeuger sind out“ behauptet Markus in einer Probe. Gitarrist Thorsten bestätigte, hiervon in der neuesten Ausgabe von „Der moderne Musiker“ gelesen zu haben. Außerdem fand er das eine sehr gute Idee, da dann für seine technischen Specialgeräte mehr Stauraum im Bandfahrzeug vorhanden wäre. Der vakante Platz wurde mit einer zierlichen Sängerin zur Verstärkung besetzt.

Die bisherige Bandgeschichte in Zahlen, sind tausende verkaufte Shirts, Zippos, Kappus, zwei bedruckte Jogginghosen und ein Heiratsantrag in einem bayrischen Jugendzentrum. 6,5 Wäschekörbe mit handgeschriebenen Hörerbriefen – etwa 85 % der Absender gehören dem weiblichen Geschlecht an – und eine riesige Sammlung an kuriosen Bandgeschichten, welche als Roman in einem Buch demnächst veröffentlicht werden sollen. Etwa 70 Prozent der KAFKAS-Hörer verwehren sich vehement dem teuflischen Internet, insbesondere den sozialen Netzwerken. So sind KAFKAS wahrscheinlich weltweit die einzige Band, die direkt über ihre Homepage bemerkenswerte Summen umsetzen kann und wahrscheinlich deutlich mehr Tonträger verkauft, als „gefällt mir“-Angaben auf Facebook zu besitzen.

Wenn die Band gerade keine Musik macht, dann spendet sie meistens Geld oder kümmert sich um ihren eigenen Gnadenhof, den sie seit 2008 betreibt. Hier haben Tiere, die ansonsten keinen Platz zum Leben bekommen hätten, ein Zuhause gefunden. Aber auch die Arbeit anderer aktiver Menschen versucht man so gut, wie man kann zu unterstützen und arbeitet daher beispielsweise zur letzten Single mit BOS Deutschland zusammen. Die Gruppe engagiert sich für den Schutz des Lebensraums von vom Aussterben bedrohten Orang-Utan Affen und den dort lebenden Menschen, die durch die Produktion von Palmöl ihre Existenz verlieren.

Jetzt erscheint das sechste Album namens „St. Helena“ am 26. August. Kafkas waren und sind anders. Eine Band mit viel Ironie, Tiefgang und Herzblut. Man hört, dass Kafkas immer noch etwas zu sagen haben. Eine Ex-Punkband, die eine Sonderstellung in der Musiklandschaft hat und dabei mittlerweile einfach gute Popmusik macht.

Alben: 1999 Sklavenautomat – 2002 Privilegienthron – 2010 Paula
Demo-CDs: 1996 Hypochonder – 1997 Serotonin
EPs: 1998 Hirnfutter – 2004 Superrocker – 2008 LD50 – 2014 Lebenslang

www.kafkas-online.de
www.facebook.com/diekafkas