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Wozzeck - Manfred Gurlitt CD Cover

Wozzeck Manfred Gurlitt

Wozzeck - Manfred Gurlitt CD Cover
Wozzeck - Manfred Gurlitt - Gesamtaufnahme
Die Ursachen für das gründliche Vergessen des Berliner Komponisten Manfred Gurlitt (1890 – 1972) und seines OEuvres sind komplex.

Mit Sicherheit hat die frühe Popularität des Bergschen „Wozzeck“ nach Büchner zum baldigen Verschwinden des gleichnamigen Bühnenwerkes Gurlitts, dem derselbe Stoff zugrunde liegt, beigetragen. Erstaunlicherweise sind beide Opern fast zur gleichen Zeit entstanden.

Alban Berg hat in den Jahren 1914 – 21 seinen „Wozzeck“ geschaffen, Manfred Gurlitt von 1920 – 25. Es ist unwahrscheinlich, dass Gurlitt die Oper Bergs gekannt hat, da die Berliner Uraufführung erst im Dezember 1925 stattfand, nur vier Monate vor der Premiere des Gurlittschen „Wozzeck“ in Bremen. Manfred Gurlitt wurde 1890 in Berlin geboren.

Seine musikalische Ausbildung erhielt er bei Moritz Mayer-Mahr (Klavier), Karl Muck (Dirigieren) und Engelbert Humperdinck (Komposition). 1908 bis 1910 sammelte er erste Erfahrungen als Korrepetitor an der damaligen Berliner Hofoper und begleitete im Anschluss daran Karl Muck als Musikalischer Assistent zu den Bayreuther Festspielen. 1911/12 war er Zweiter Kapellmeister in Essen, ab 1912 in der gleichen Stellung für zwei Spielzeiten in Augsburg tätig.

1914 folgte er einem Ruf als Erster Kapellmeister an das Bremer Stadttheater, wo er bis 1927 – ab 1924 als Generalmusikdirektor – blieb. In Bremen entstand auch seine Oper „Wozzeck“, die am 22. April 1926 mit großem Erfolg unter der musikalischen Leitung des Komponisten uraufgeführt wurde.

In den konservativen Kreisen, die das Bremer Kulturleben im wesentlichen trugen, stieß das engagierte Eintreten Gurlitts für Neue Musik sowie seine links-sozialistische Einstellung auf wenig Gegenliebe. Seine 1920 gegründete „Gesellschaft für Neue Musik“ zur Förderung avantgardistischer und Pflege selten gehörter „vorklassischer“ Musik erwies sich im bis dahin eher beschaulichen Bremer Musikleben als permanenter Störfaktor.

Gurlitt, der sich durch die ständigen Konflikte und Machtrangeleien in seiner künstlerischen Freiheit eingeschränkt fühlte, wechselte Anfang 1927 in die Metropole Berlin, wo er sich mit Erfolg als Komponist, Dirigent, Pianist und Lehrer an der Charlottenburger Musikhochschule betätigte. Er dirigierte regelmäßig beim Berliner Rundfunk und nahm für das damalige Grammophon-Label zahlreiche Schallplatten auf.

Der sozialkritische Ton, den Gurlitt mit der Wahl des Büchner-Fragments aufgenommen hatte, setzte sich auch in den nachfolgenden Opernkompositionen fort: 1930 vollendete er die „Soldaten“ nach J.M.R. Lenz, drei Jahre später die Oper „Nana“ nach Emile Zola.

Mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 änderte sich die Situation für Gurlitt schlagartig. Von den Nazis als „Kulturbolschewist“ diffamiert, wurde er aus seinen öffentlichen Ämtern entlassen, wurden seine Werke mit einem strikten Aufführungsverbot belegt. Während dieser Jahre hielt sich Gurlitt mit Gelegenheitsdirigaten im europäischen Ausland über Wasser. 1939 emigrierte er nach Japan, um einer drohenden Verhaftung durch die Gestapo zu entgehen.

Doch auch in Japan, wo Gurlitt bald als Dirigent und Lehrer für den japanischen Rundfunk und an der Kaiserlichen Musikakademie Tokio arbeitete, führte der Einfluss der Hitler-Diplomatie zu seiner erneuten Entlassung aus allen Stellungen.

Seine Bemühungen, nach dem Krieg wieder in Deutschland Fuß zu fassen und an seine Erfolge während der Weimarer Zeit anzuknüpfen, schlugen fehl. Die Verleihung des Großen Verdienstkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1956 konnte kaum etwas an der Verbitterung und Enttäuschung Gurlitts über die ablehnende Haltung Nachkriegs-Deutschlands ändern, das sich ihm kompositorisch verschloss. 1953 gründete er in Japan seine eigene Operngesellschaft, die „Gurlitt Opera Company“, mit dem Ziel, das westeuropäische Opernrepertoire dem japanischen Publikum bekannt zu machen. Ihr sind zahlreiche Opernerstaufführungen zu verdanken. Gurlitts Verdienste um die Institution Oper würdigte das gastgebende Land mit einer Reihe von Auszeichnungen.

Noch 1969 wurde er zum Professor an der Showa-Hochschule für Musik ernannt. Manfred Gurlitt starb 81jährig am 29. April 1972 in Tokio. Gurlitt wählte aus dem Büchnerdrama 18 Szenen aus – zwei mehr als Berg – und setzte die ungleich langen Szenen schroff nebeneinander, ohne sie inhaltlich zu überarbeiten oder sie durch Akte zu strukturieren, wie Berg es tat. Er fügte lediglich den Orchesterepilog „Klage um Wozzeck“ als 19. Szene an. Indem der Komponist das Trockene, das Abrupte des Fragments respektierte und nirgends versuchte, Übergänge zu konstruieren oder die sprachliche Vehemenz Büchners durch gefälligere Wendungen abzumildern, verstärkte er den expressiven Gehalt des Dramas. Aber nicht nur in der formalen Anlage gingen die beiden „Wozzeck“-Komponisten getrennte Wege.

Während Berg die sozialen Umstände Wozzecks in aller Schärfe zum Ausdruck bringt, wird die Figur des Protagonisten bei Gurlitt weniger hart attackiert. Doktor und Hauptmann spielen ihre Überlegenheit weit weniger krass aus. Die Szene, die Wozzeck als gequältes Opfer der menschenverachtenden medizinischen Versuche des Doktors vorführt und die bei Berg eine Schlüsselrolle spielt, fehlt in Gurlitts Vertonung völlig. Gurlitt gesteht den beiden Vertretern der gesellschaftlichen Oberschicht in seiner expressionistisch akzentuierten Interpretation lediglich die Rolle von Statisten zu, zugunsten einer stärkeren Konzentration auf das Leiden der geschundenen Kreatur Wozzeck. Dabei gerät die Frage nach den Ursachen des Mordes aus dem eigentlichen Blickfeld. Die zentrale Idee der Gurlittschen Bearbeitung liegt vielmehr in der Darstellung der „rhythmisierten Bilder einer zerbrochenen Seele“, die den Blick auf das Allgemeingültige, das „Menschliche“ des Schicksals freigibt.

Kein Wunder also, dass die Märchenszene, die Berg eliminiert hat, eine zentrale Rolle in Gurlitts Werk spielt. In der fabelartigen Erzählung der alten Frau (15. Szene) wird die Kernaussage der Oper – Wozzecks Leid als Leid der Menschheit – in komprimierter Form noch einmal zum Ausdruck gebracht. Gurlitts „Wozzeck“ wirkt durch diese Verengung des Blickwinkels nicht weniger intensiv, aber weniger sarkastisch. Das Motiv des Leidens findet auch seinen Ausdruck in Büchners eigenem verbalen Leitmotiv „Wir arme Leut“, das der Oper quasi als Motto beigegeben ist und sie, von einem anonymen Fernchor intoniert, eröffnet und beschließt.

Manfred Gurlitt wendete sich radikal ab von der durchkomponierten sinfonisch-dramatischen Großform Richard Wagners. Diese war für das Opernschaffen vieler zeitgenössischer Komponisten, wie etwa Richard Strauss, Hans Pfitzner oder auch Gurlitts Kompositionslehrer Engelbert Humperdinck, noch kompositionstechnisch und ästhetisch verpflichtend. So ist ein prinzipielles Merkmal des „Wozzeck“ die musikalische Abgeschlossenheit der einzelnen Szenen. Gurlitt lässt die 19 knappen Stimmungsskizzen fast reportageartig ohne den musikalischen Kommentar vor- oder nachbereitender Orchesterzwischenspiele direkt aufeinander folgen. Er scheint sogar einige Attacca-Übergänge vorauszusetzen, wie z. B. die Übergänge der Szenen 9 bis 11 oder 18 und 19 zeigen. Damit rückt er auch musikalisch eng zusammen, was bereits dramatisch eine Einheit bildet. Analog zum Text vermeidet er die musikalische Glättung der Schnittstellen.

Da Gurlitt zudem weitgehend auf eine die Oper vernetzende Leitmotivik verzichtet, verwundert es nicht, dass die Szenen von äußerster Knappheit geprägt sind. Die Durchführungsprinzipien gleichen einer oftmals hart gegen das Material selbst geführten Schnitt- und Montagetechnik, die nicht seine Vereinheitlichung und Verzahnung zum Ziel hat, sondern die Sperrigkeit der Musik und die Brüche innerhalb des musikalischen Satzes geradezu provoziert.

Ein weiteres, wesentliches Merkmal von Gurlitts „Wozzeck“ ist das durchweg kammermusikalische Klangbild des Orchesters. Auch hierin unterscheidet sich die Oper grundlegend vom symphonischen Tuttiklang eines Orchesterapparates der Spätromantik.

Der Komponist verzichtet weitgehend auf orchestrale Üppigkeit und lässt meist kammermusikalisch trocken musizieren. Einen interessanten Aspekt von Gurlitts Klangbehandlung bieten die im Orchester plazierten Vokalstimmen. Vereinzelt lässt der Komponist Stimmen aus dem „off‘ untextierte Vokalisen singen. Diese tragen entweder als reine Klangeffekte zum atmosphärischen Charakter der Szene bei oder führen über ihren Einzug in den Instrumentalsatz die zentrale Idee des Leidens an exponierten Stellen sinnfällig vor Augen.

Manfred Gurlitt erzielt mit der Unerbittlichkeit, mit der er die schicksalhafte Situation des Soldaten Wozzeck vorführt, eine hohe dramatische Dichte und Intensität.

Die Schärfe der konstruierten Gegensätze, die unvermittelt aufeinanderprallen und die Knappheit und Sparsamkeit der eingesetzten Mittel machen die Oper zu einer ausdrucksstarken und fesselnden Umsetzung des Büchnerdramas in Musik, die mehr ist als nur ein musikgeschichtlich spannender Aspekt der zwanziger Jahre – nämlich „echte Theatermusik“. Katrin Winkler

Musikalische Tragödie in 18 Szenen und einem Epilog op. 16

(Text nach Georg Büchners Fragment “Woyzeck” / after the fragment „Woyzeck“ by Georg Büchner)

WOZZECK ROLAND HERMANN (Bariton) MARIE CELINA LINDSLEY (Sopran) HAUPTMANN / CAPTAIN ANTON SCHARINGER (Bariton) TAMBOURMAJOR / DRUM-MAJOR JÖRG GOTTSCHICK (Bariton) DOKTOR / DOCTOR ROBERT WÖRLE (Tenor) ANDRES ENDRIK WOTTRICH (Tenor) MARGARET · ERSTES MÄDCHEN CHRISTIANE BERGGOLD (Mezzosopran) JUDE / JEW REINHART GINZEL (Tenor) ALTE FRAU / OLD WOMAN · SOLOALT GABRIELE SCHRECKENBACH (Alt) SOPRANSOLO / SOLO SOPRANO REGINA SCHUDEL (Sopran) RIAS-KAMMERCHOR ∙ RUNDFUNK-KINDERCHOR BERLIN DEUTSCHES SYMPHONIE-ORCHESTER BERLIN GERD ALBRECHT (Dirigent / conductor)

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RICCARDO ZANDONAI DAS GESAMTKLAVIERWERK

Riccardo Zandonai und das Klavier: eine gegensätzliche Beziehung. Wenn man sich die Frage stellt, von welcher Art die Beziehung zwischen Zandonai und dem Klavier war, so wäre man versucht zu antworten, dass keine besonders intensive Beziehung außer einer zweckgebundenen und für das Studium und die Kompositionsarbeit notwendigen zwischen ihnen bestand.

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RICCARDO ZANDONAI DAS GESAMTKLAVIERWERK

Als von Natur aus an der menschlichen Stimme interessierter Künstler brachte der Komponist der Francesca und der Giulietta Gattungen der Instrumentalmusik nur sporadisch Aufmerksamkeit entgegen in der Überzeugung, dass es sich nur um ein gelegentliches (wenngleich einträgliches!) Verlassen vom Hauptweg handele, das seine eigentliche Berufung als Opernkomponist nicht sogleich beeinträchtige.

So blieb er vielleicht mehr als andere abhängig von einer sich hartnäckig haltenden Überzeugung, nach der der einzige wahre Darstellungsgegenstand, dem sich ein Komponist zuzuwenden hat, derjenige ist, der die menschlichen Geschicke und Leidenschaften – sichtbar gemacht auf der Theaterbühne – zum Thema hat.

Um so weniger fühlte sich Zandonai zu einem „mechanischen“ Instrument wie dem Klavier hingezogen, das genau in der Fähigkeit, eine ausgedehnte Gesanglichkeit herzustellen, seinen schwachen Punkt besitzt. Und obwohl er bei manchen Gelegenheiten mit Erfolg Instrumentalmusik für die Violine, die Flöte und mehr noch für das Violoncello schrieb, so betraute er doch nie das Klavier mit solistischen Aufgaben, die erwähnenswert wären.

Eine einzige Begebenheit ist für das Jahr 1937 belegt, in der er die flüchtige Absicht hegte, ein „Konzert“ für eine Spielzeit der römischen Accademia di S. Cecilia zu schreiben; ein Projekt, das sich jedoch sogleich zu einer formal freien „Fantasie“ umwandelte und mit einem auf Frühlingshaftes anspielenden Titel versehen wurde.

Es ist schwierig nachzuvollziehen, an welchem Vorbild er sich möglicherweise inspirierte; das Kompositionsprojekt indes löste sich bald in Luft auf, und von einer „Frühlingsfantasie“ wurde nicht mehr weiter gesprochen.

Diese Episode ist dennoch bezeichnend, da sie einen für den Instrumentalkomponisten Zandonai typischen Vorgang enthüllt: nämlich von vornherein der Konfrontation mit regulierenden und daher allzusehr fesselnden Formsystemen – die für Zandonai einen technisierten und kalten Schaffensakt implizieren – auszuweichen, um dagegen zu Formen zurückzukehren, die – nach den Vorgaben der „musica poetica“ des 19. Jahrhunderts – jedesmal neu überdacht und durch ein explizites „Programm“ legitimiert sind.

Mit dieser Sichtweise werden die Charakterbezeichnungen romantisch, nächtlich, andalusisch, heldenhaft, mittelalterlich, jugendlich verständlich, die den Titeln seiner Instrumentalmusik beigegeben sind; einzige Ausnahme ist eine Quartett aus seiner Ausbildungszeit. Vor diesem Hintergrund muss der Beziehung zwischen Zandonai und dem Klavier in den Nischen seines kompositorischen Schaffens nachgegangen werden, die seine Auftragswerke und Gelegenheitskompositionen einschließen.

Beispielsweise im Hinblick auf sein Liedschaffen zeigt sich die Klavierbegleitung, obgleich sie nie besonders innovativ ist, bisweilen plastisch und prägnant hinsichtlich der poetischen Imagination und der Ausdeutung des Ambientes. Schwungvoll brilliert die Klavierbegleitung etwa in der Trio-Serenata, auch wenn dadurch die Ausgewogenheit, die das musikdramaturgische Gefüge bestimmt, keineswegs gestört ist.

Auch darf nicht die traditionelle Rolle des Klaviers für die Verbreitung aller großen Opern durch Klavierauszüge übersehen werden, die von Carlo Carignani und Ugo Solazzi erarbeitet wurden, und denen sich umfangreiche Ausgaben von Fantasien, Arrangements und Potpourris für Klavier zu zwei oder zu vier Händen zur Seite stellten; aber auch die eher seltenere Form des Salonorchesters mit obligatem Klavier – des sogenannten „pianoforte conduttore“ – gehört in diesen Zusammenhang, das zur allabendlichen Unterhaltung in Hotels, Parkanlagen, auf Kreuzfahrtschiffen oder in Kurbädern Verwendung fand.

Zu veritablen Künstlern derartiger Arrangements, die regelmäßig bei Ricordi im Druck erschienen, wurden besonders Émile Tavan und mit ihm auch Alberto De Cristofaro, Luigi Romaniello, Vincenzo Billi, Alessandro Peroni, Arturo De Cecco, Illuminato Culotta und Guido Zuccoli. Zandonai selbst erstellte den Klavierauszug seiner eigenen Oper Giulietta e Romeo und fertigte darüber hinaus einen gesonderten Auszug des Cavalcata di Romeo an, der später als Orchesterarrangement in den Konzertsälen große Popularität gewinnen sollte.

In der Oper verbindet dieses Stück die erste mit der zweiten Szene des III. Aktes, in der Romeo, der vom Tod Giuliettas erfahren hat, in ungestümem Galopp während eines tobenden Ungewitters nach Verona eilt. Der heftig wütende Gestus dieses Intermezzos, das seinen suggestiven Charakter aus der onomatopoetischen Nachahmung des galoppierenden Pferdes und der entfesselten Naturgewalten – Spiegel der inneren Qualen Romeos – bezieht, blieb bei der Transkription für das Klavier erhalten.

Die Originalkompositionen für Klavier von Zandonai sind in einer kleinen aber charakteristischen Kollektion von Albumblättern zusammengefasst, die als Auftragsarbeiten entstanden und außerhalb der sonst üblichen Publikationswege Verbreitung fanden. Die Stücke Sera, Tempo di valzer e Fiori sotto la neve beispielsweise wurden von populären Zeitschriften bei ihm angefordert, um in Form von Werbebeigaben den Lesern als zerstreuende Abendunterhaltung im bürgerlichen Salon zu dienen.

Es handelt sich dabei um anmutige Miniaturen mit anspruchsloser programmatischer Ausrichtung, aber routiniertem handwerklichen Ernst. Aufgrund der Neigung, durch Pausen der Musik einen nachdenklichen Charakter zu geben und sich sehnsüchtigen Stimmungen hinzugeben, sind sie aber auch Hinweise auf die introvertierte Persönlichkeit ihres Autors.

Sera ist eine gelungene Komposition, die eine andächtige und nahezu gebetsähnliche Atmosphäre schafft, die eine von Ruhe und Heiterkeit durchdrungene Gemütslage enthüllt. Ihr originaler Abdruck in der »Illustrazione popolare« ist durch die Reproduktion einiger Verse aus Dantes Purgatorium aufgewertet, die als Motto der Komposition auf den abendlichen Frieden anspielen. Auch das Stück Tempo di valzer wurde als Faksimile in einer regionalen Zeitschrift veröffentlicht.

Wie aus dem Autograph hervorgeht, das mit der Angabe »Turin Februar 1914« versehen ist, wurde die Komposition aus dem Stegreif geschrieben, nämlich in denselben Stunden, in denen am Teatro Regio die ersten Folgeaufführungen von Francesca da Rimini stattfanden, die ihm zur Stellung als einer unter den führenden italienischen Komponisten seiner Generation verhalfen. Man kann sich die Hast vorstellen, mit der der Komponist, von vielen weiteren Anforderungen bedrängt, diese Handwerksarbeit ausführen musste.

Dennoch ist dieses Stück mit Sorgfalt geschrieben und vollzieht geschmeidig den tänzerischen Gestus im Salonstil nach, doch dies mit dem üblichen Einschlag von untergründiger Traurigkeit. Erschienen als Faksimile in der Zeitung »Corriere della sera«, versucht die Komposition Fiori sotto la neve eine Stimmung voller Erinnerungen zu verbreiten, die aus vielen Einsamkeit und Trostlosigkeit evozierenden Winterbildern zusammengesetzt ist.

Die Starre, die durch die melodische Gestaltung ausgedrückt ist, wird intensiviert durch eine unterlegte, ostinate Achtelbewegung, die etwas Schicksalhaftes in sich hat und zugleich die Ahnung an ein wiederholtes Echo von Glocken vermittelt.

Dieses hinsichtlich seiner Faktur strenge, mit einer hellen Klangfülle ausgestattete Stück, das sich nur im Binnenabschnitt akkordisch verdichtet, war ursprünglich vom Komponisten als erster Satz einer Suite dei fiori gedacht und sollte den Titel Crisantemi tragen, doch blieb es eine alleinstehende Komposition. Der Herausgeber, der dieses Albumblatt seinem Liebhaberpublikum als „irisierend und abenddämmernd“ präsentierte, interpretierte es zudem als „einen Hoffnungsgesang im Gewand eines sehnsuchtsvollen Klageliedes“.

Und wenn der kindliche Sogno giovanile, geschrieben wohl um 1895, nicht mehr als den guten Willen eines kompositorisch noch kaum erfahrenen Kindes ausdrückt, dann erzählen die beiden zusammenhängenden Stücke Berceuse und Canzone montanina von einem jungen Maestro, der kaum die Musikhochschule von Pesaro verlassen und sich fest vorgenommen hat, aus den bisher heraufbeschworenen sanften Stimmungslagen einen bedeutungsvolleren und tiefgründigeren poetischen Ertrag zu erzielen.

Die beiden unpubliziert gebliebenen Kompositionen besitzen hinsichtlich ihres formalen Aufbaus eine einfache dreiteilige Struktur mit einem bewegten Mittelteil, aber ohne rechte Entwicklung des musikalischen Materials. Die dezente Berceuse in a-Moll erinnert mehr als an ein Wiegenlied an eine Melodie für eine menschliche Stimme, der nur ein Gesangstext fehlt. Die Canzone montanina in H-Dur ist geprägt durch ein Motiv in Terzen, von dem man nicht weiß, ob es eine folkloristische Vorlage hat oder erfunden ist, das aber in jedem Fall die typischen Eigenschaften alpiner Gesänge besitzt.

Von dieser Ansammlung an elegischen und träumerischen Gemütszuständen unterscheidet sich deutlich der Telefunken-Marsch, der im frechen Stil des futuristischen Modernismus Lobeshymnen auf die Kräfte des technischen Fortschritt singt und im besonderen auf ein neues Grammophonmodell Bezug nimmt, das in den Fertigungshallen der renommierten deutschen Marke produziert wurde.

Mit dieser Komposition voller engagement gibt Zandonai zu erkennen, dass er den richtigen Ton zu treffen weiß, den eine wie auch immer ausgerichtete Werbebotschaft erfordert, indem er dem Hörer, bzw. dem Kunden die richtige Dosis von Vertrauen und Optimismus übermittelt, die einen Kauf voraussetzen: ein Anreiz, der besonders in den Jahren der großen Wirtschaftskrise von 1929 nützlich war.

Der Komponist beurteilte seinen heiteren Marsch als »graziös in seiner Schlichtheit, elegant und geprägt von einer sehr originellen Form«, und erzählte, es bereite ihm große Freude, wenn er ihn alle Vormittage im Radio hörte.

Die Komposition Primavera in Val di Sole entstand 1915 in einer sinfonischen Form mit dem Anliegen, der musikalischen Welt zu zeigen, dass der junge Schöpfer der Francesca da Rimini auch etwas auf dem Gebiet der Instrumentalmusik vorweisen konnte. Im Programm dieses umfassenden Panoramas verschmelzen sich – durch das Zeitgeschehen höchst aktuell – patriotische Motive, das innerliche Heimweh nach dem Trento und die bedingungslose Liebe nach der verzehrenden Schönheit der Natur: alles Themen, die das persönliche Empfinden des Komponisten bestimmten.

Die Umarbeitung dieser Komposition für Klavier zu vier Händen, die Zandonai selber einige Jahre später vornahm, büßte unausweichlich den Effekt der subtilen Ausdifferenzierung der orchestralen Klangfarben ein, der ein wesentliches Merkmal der originalen Arbeit war; als Ausgleich dafür hinterließ er uns aber mit diesem Arrangement seinen vollendetsten und umfangreichsten Beitrag für das Klavier.

Mit ihm aber hat man ein überzeugendes Beispiel, das zeigt, wie jedes kompositorische Projekt Zandonais mit einer visuellen Komponente verbunden ist. Das Stück ist auf einer präfigurierten Ebene in fünf Etappen (oder Bildausschnitte) unterteilt, die jeden einzelnen musikalischen Situationsverlauf auf ein narratives Äquivalent beziehen, das zugleich objektiv und subjektiv, deskriptiv und introspektiv ist.

Mehr als eine stringente Architektur aus Themen und Entwicklungen war daher für den Komponisten eine Technik ausschlaggebend, die sich in einem freien Spiel von Motiven realisierte, die wechselhaft und zyklisch von einem Satz zum nächsten übergehen und auf diese Weise Bilder und Figuren in auseinanderstrebenden Verlaufsrichtungen entfalten, die nach der Intention Zandonais genau dem Wesen von „Impressionen“ entsprechen. Alba triste entwirft das Panorama einer weiten, nebeligen Landschaft vor Tagesanbruch, in der versprenkelt das Licht der Morgenröte am Horizont aufscheint und Glockenklänge von Ferne hörbar werden, die lange im Tal nachklingen. Die Traurigkeit ist nicht in der Natur, sondern in der Seele des Menschen vorhanden, der noch nicht vollständig aus der Dunkelheit der Nacht herausgetreten ist.

Mit dem Anfang von Nel bosco stellt sich dann schrittweise das Vertrauen gegenüber der Welt ein, die nun erwacht und von überall her ihre freundlichen Stimmen, ihre Verlockungen und ihr Zittern hörbar werden lässt. Die Rast am Bach – Ruscello – führt einen Moment der unbeschwerten Fröhlichkeit vor, die voller frischer und unverdorbener Lebenskraft ist, bevor die höchsten Berggipfel erklommen werden, von denen das Echo – L’eco – widerhallt. Gegen Abend schließlich taucht ein farbenreicher Schwarm von Schmetterlingen – Sciame di farfalle – auf, mit dem die pantheistische Feier einer ländlichen Natur ihr Ende findet. Diese lange und wechselhafte poetische Wegstrecke führt über statische und ausschließlich atmosphärische Stationen zu lebhafteren und beschwingteren, aber unabhängig von solchen Details des Kompositionsverlaufes ist der grundsätzlich expressive Charakter immer wahrnehmbar, der von der Empfindung eines innerlichen Staunens angesichts der Natur und ihrer vielfältigen Erscheinungen getragen ist.

Der ungewöhnliche Fluss der Komposition entsteht durch die Wiederholung von Rhythmen und von musikalischen Phrasen, sowie durch lange harmonische Orgelpunkte und ausgeweitete Modulationen; Merkmale einer musikalischen Modernität, die die Komposition als dem Stil der Ambient Music zugehörig auszeichnen. Diego Cescotti Übersetzung: Richard Erkens

Pietro Massa, Pianist

Pietro Massa am 6. März 1973 in Mailand geboren, hat Klavier in Paris mit Aldo Ciccolini und Komposition in seiner Heimatstadt mit Bruno Bettinelli studiert. Seit 1999 wohnt er in Berlin. Die deutsche Hauptstadt stellt heute das Zentrum seines Lebens sowie den Mittelpunkt einer internationalen Karriere als Solist dar, die sich inzwischen auf 200 weltweit gespielte Konzerte beläuft und in verschiedenste Länder führte: Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien, Luxemburg, England, Island, Österreich, Slowenien, Kroatien, Albanien, Serbien und Montenegro, Rumänien, Bulgarien, Türkei, Ukraine, Kasachstan, Japan, USA, und Brasilien.

Nach den drei Hochschulabschlüssen in Klavier, Komposition und Altgriechischer Literatur hat Pietro Massa 2005 an der Freien Universität Berlin im Fach Musikwissenschaft mit der Dissertation “Carl Orffs Antikendramen und die Hölderlin-Rezeption im Deutschland der Nachkriegszeit” (Peter Lang, Frankfurt am Main 2006) promoviert.

Sein Repertoire für Klavier und Orchester umfasst 20 Klavierkonzerte, die bereits aufgeführt worden sind oder im Programm mit vielen Orchestern stehen: Berliner Symphoniker, Rundfunk Symphonie Orchester Berlin, Neubrandenburger Philharmonie, Wiener Frauenkammerorchester, Symphonisches Orchester Bacau, Symphonieorchester Eskisehir, usw. Er hat mit Dirigenten wie Stefan Malzew, Peter Hirsch und Daniele Giorgi zusammengearbeitet.

Pietro Massas erste CD „Chromatisme Mystique“ mit Werken von Liszt, Franck, Skrjabin, Casella und Petrassi ist 2004 in Kooperation mit den Teldex Studios Berlin erschienen. Live hat er 2007 das 3. Klavierkonzert von Sergei Rachmaninoff mit dem Symphonischen Orchester „Bruno Maderna“ Forlì und 2008 das Concerto für Klavier und Orchester mit Männerchor op. 39 von Ferruccio Busoni mit der Neubrandenburger Philharmonie aufgenommen.

Für Deutschlandradio Kultur und Phoenix Edition sind für 2010 die folgenden CD-Produktionen festgesetzt worden: Gesamtklavierwerke von Riccardo Zandonai, Gesamtklavierwerke von Luigi Dallapiccola, beide Klavierkonzerte von Mario Castelnuovo-Tedesco und die noch nicht aufgenommenen Klavierwerke des Komponisten sowie das Klavierkonzert Nr. 2 op. 66 von Giuseppe Martucci mit dessen bisher unveröffentlichten Klavierwerken.

RICCARDO ZANDONAI DAS GESAMTKLAVIERWERK

1. Telefunken (1929) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [4‘02]
2. Tempo di valzer (1914) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [2‘38]
3. Canzone montanina (1902) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [3‘00]
4. Berceuse (1902) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [3‘13]
5. Fiori sotto la neve (1931) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [4‘00]
6. Intermezzo – Cavalcata da Giulietta e Romeo für Klavier Solo (1922) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [6‘38]
7. Sera (1904) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [4‘47]
8. Sogno giovanile (1895) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [3‘53]

Primavera in Val di Sole – Impressioni sinfoniche, für Klavier zu 4 Händen (1920)
9. I. Alba triste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [8‘20]
10. II. Nel bosco . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [9‘05]
11. III. Il ruscello . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [5‘27]
12. IV. L‘eco . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [7‘24]
13. V. Sciame di farfalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [5‘40]

BO-SKOVHUS CD Cover Artwork

Bo Skovhus – Nacht der Träume

Der am 22. Mai 1962 in Ikast (Dänemark) geborene Bariton studierte am Musikinstitut Aarhus, an der Königlichen Opernakademie in Kopenhagen und in New York. Seine Karriere als Sänger begann 1988 in Wien an der Volksoper. Wien ist nach wie vor der Mittelpunkt seines künstlerischen Wirkens.

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BO SKOVHUS Orchesterlieder · Orchestral Songs WDR Rundfunkorchester Köln · Stefan Blunier

Seit über 10 Jahren besteht eine enge Verbindung mit der Staatsoper, wo er regelmäßig als Gast zu hören ist.

Sowohl im Musikverein als auch im Konzerthaus wird er immer wieder für Liederabende und Konzerte engagiert.

1997 wurde dem Künstler der Titel eines österreichischen Kammersängers verliehen.

Skovhus tritt an den großen Opernhäusern und mit den führenden Orchestern in Europa, Amerika und Japan auf.

Daneben widmet er einen großen Teil seiner Zeit dem Liedgesang. Er zählt zu den bedeutendsten Interpreten seiner Generation und wird von allen großen Festspielen und Musikzentren der ganzen Welt immer wieder eingeladen.

Sein Opernrepertoire umfasst Partien wie Don Giovanni, Graf Almaviva in Le nozze di Figaro, Guglielmo in Cosi fan tutte, Olivier und Graf in Capriccio, den Barbier in Die schweigsame Frau, Wozzeck, Hamlet, Billy Budd und Eugen Onegin, Jelezki in Pique Dame, Danilo in Die lustige Witwe, Eisenstein in Die Fledermaus, Wolfram in Tannhäuser, Kurwenal in Tristan und Isolde, Amfortas in Parsifal, Rodrigue in der französischen Fassung von Don Carlos sowie Frank und Fritz Pierrot in Die tote Stadt. 2010 sang er die Titelrolle von Oberst Chabert an der Deutschen Oper Berlin (als konzertante Aufführung).

Die Schwerpunkte seines umfassenden Konzertrepertoires liegen bei den Werken von Gustav Mahler, den skandinavischen Komponisten sowie bei Frank Martins Jedermann-Monologen und Zemelinskys Lyrischer Sinfonie. Zahlreiche CD-Veröffentlichungen in allen Genres, vor allem aber im Liedbereich werden durch die vorliegenden Orchesterlieder erweitert.

Stefan Blunier

Der 1964 geborene Dirigent trat schon während seines Studiums in Bern und an der Folkwang Hochschule Essen mit Klavierabenden, Rundfunkproduktionen und Liederabenden international in Erscheinung. Sein Werdegang als Dirigent kann als klassischer Weg durch die Opernhäuser bezeichnet werden.

Nach Stationen in Mainz, Augsburg und Mannheim war er bis Dezember 2008 Generalmusikdirektor am Staatstheater Darmstadt und gastierte in Berlin (Komische Oper) und in München (Nationaloper).

Am 1. August 2008 übernahm Stefan Blunier die Position des Generalmusikdirektors der Bundesstadt Bonn und wurde somit gleichzeitig Chefdirigent des Beethoven Orchester Bonn und der Oper Bonn.

Mit Beginn der Saison 2010/2011 ist Stefan Blunier „Premier Chef Invité“ des Orchestre National de Belgique in Brüssel. Mit dem WDR Rundfunkorchester spielte er u. a. Werke von Lalò ein und ist ständiger Gast in Konzerten verschiedenen Genres. CD Aufnahmen bei Sony, CPO, MDG und Capriccio.

WDR Rundfunkorchester Köln

|| 1947 gegründet
|| Repertoire: Operette, Oper, Bekanntes von Unbekannten, Unbekanntes von
Bekannten aus dem Konzertsaal, klassische und zeitgenössische unterhaltende
Musik, Musical, Jazz, Film- und Spielemusik, leichte Unterhaltungsmusik
|| regelmäßige Auftritte in den Konzertsälen Nordrhein-Westfalens und bei
Musikfestivals im In- und Ausland
|| beliebte Konzertreihen in der Kölner Philharmonie und im Klaus-von-Bismarck-Saal
des WDR Funkhauses
|| Mitwirkung in Fernsehsendungen sowie Aufnahmen im Produktionsstudio
|| zahlreiche Auszeichnungen mit Schallplattenpreisen
|| internationale Anerkennung u. a. für Interpretationen der Werke Kurt Weills und
Franz Schrekers
|| seit 2001 umfangreiche Tourneetätigkeit (u.a. Spanien, Deutschland, Türkei,
Belgien, Holland, Österreich)
|| Gastauftritte bei nationalen und internationalen Musikfestspielen, u.a.
Beethovenfest Bonn, Dresdner Musikfestspiele, Operettenfestspiele Bad Ischl, WDR
Musikfest, Rheingau Musik Festival, Mendelssohntage Koblenz, Festspiele
Mecklenburg Vorpommern, Offenbach-Festival Bad Ems, Musikalischer Frühling
Schloss Bleckede, Johann Strauß Tage Coburg und Jeunesse Musicale Wien
|| ehemalige Dirigenten: Hermann Hagestedt, Franz Marszalek, Curt Cremer und
Heinz Geese
|| prominente Gastdirigenten: Franz Allers, Stefan Blunier, Kurt Eichhorn, Peter Falk,
Justus Frantz, Franz Grothe, Peter Gülke, Leopold Hager, Michael Hofstetter, Heinz
Holliger, Gustav Kuhn, Jan Latham-König, Jiri Malat, Willy Mattes, Werner Müller, Ari
Rasilainen, Lior Shambadal, Emmerich Smola, Pinchas Steinberg, Jan Stulen
|| Ehrendirigent: Helmuth Froschauer
(von 1997 bis 2003 Chefdirigent)
|| Chefdirigent von 2006 bis 2009: Michail Jurowski
|| neuer Chefdirigent seit September 2010: Niklas Willén

Nana Klassik Oper CD Cover

NANA – Oper in 4 Akten

Alt und neu zugleich. Wie ist das möglich? Manfred Gurlitts Nana „Ich glaube an den Sieg des Neuen, wenn ein neuer Geist es bewegt.“

Nana Klassik Oper CD Cover
NANA - Oper in 4 Akten
Mit diesen emphatischen Worten schließt ein Brief, den Librettist Max Brod neun Tage vor der Uraufführung der Nana am Theater Dortmund an Manfred Gurlitt schrieb. Die Uraufführung vom 16. April 1958 jedoch muss wohl eher als ein Akt der Rehabilitation eines zu Unrecht vergessenen oder verdrängten Komponisten gewertet werden denn als der ersehnte „Sieg des Neuen“.

Der Dortmunder Uraufführung folgte lediglich eine Wiederaufnahme im Jahr 1967 in Bordeaux (in französischer Sprache). „Die Partitur steht für uns heute zwischen Zeiten“, heißt es in einer Uraufführungskritik der Badischen Zeitung vom 22. April 1958: „Ihre einstige Kühnheit, expressive Härte mit der Tradition des 19. Jahrhunderts zu verbinden, ist durch viel radikalere Klangabenteuer überrundet worden.“

„Zwischen den Zeiten“ – mit diesem Schlagwort scheint generell das Schicksal des Musikdramatikers Manfred Gurlitt umrissen. Sein 1926 am Bremer Theater uraufgeführter Wozzeck stand von Beginn an im Schatten des wenige Monate zuvor an der Berliner Staatsoper unter Erich Kleiber aus der Taufe gehobenen Schwester-Werks von Alban Berg.

Die Soldaten (nach Lenz) aus dem Jahr 1930 erlebten zwar nach der Düsseldorfer Uraufführung weitere Produktionen, doch spätestens mit der Jahrhundert-Uraufführung von Bernd Alois Zimmermanns gleichnamiger „pluralistischer Oper“ von 1965 war das Schicksal von Gurlitts Dreiakter besiegelt. Dabei ist Gurlitts Musik bis zum Zeitpunkt seiner Emigration nach Japan 1939 in jeder Hinsicht auf der Höhe der Zeit.

Die Grundpfeiler der musikalischen Sprache in Nana fasst Max Brod in treffend zusammen: „Ich glaube, dass die Synthese der dem Ohr eingängigen Melodien mit einer neuartigen rücksichtslosen Harmonik und harten verwegenen Rhythmik etwas ganz Neues ist, das Sie der Opernbühne bringen.“ Die dramatische Situation jeder Szene in Nana korrespondiert aufs Engste mit der Wahl der musikalischen Formen.

So präsentiert sich die noch unbekannte Protagonistin in Bild 1 mit einem simplen Kinderlied, im raschen Konversationston gehalten sind die Journalistenszene (Bild 2), im „Couplet der Venus“ wird Nana zum Star, den die aufgeheizten Männer anschließend in einem turbulenten Cancan à la Offenbach bejubeln.

Wirkungsvolle Chor- und Ensemblesätze (der „Chor der Gläubiger“ im 2. und das bis auf sieben Stimmen anwachsende Ensemble im Finale des 3. Aktes) vervollständigen die musikalische Formenvielfalt in Nana. Dramaturgisch treffend auch die Wahl der satztechnischen Ausdrucksmittel: In Nanas Kinderlied „Ninette führt die Lämmer weiden“ wird ihr mangelndes künstlerisches Talent durch einen wiegenden Pastoral-Rhythmus in G-Dur mit „falschen“ Zwischentönen karikiert. Die Arie des Philippe im 2. Akt („Lachen Sie mich nicht aus, Nana“) zitiert im Überschwang der Gefühle des jungen Leutnants Vorbilder der italienischen Oper.

Demgegenüber führt Nanas „Mit ganz Paris“ in die Breitwand-Klangwelten eines Erich Wolfgang Korngold. Die „langsam, getragen“ zu singende Arie des Grafen Muffat („Das Erlebnis der höchsten Schönheit“) schließlich gemahnt mit seiner kleingliedrigen Chromatik und der durchgehenden Seufzermelodik an barocke Vorbilder und suggeriert auf diese Weise eindringlich die Nana so widerliche „Klosterluft“, die den Grafen umgibt.

Verbunden sind die Szenen und Bilder darüber hinaus durch ein dichtes Geflecht von Leitund Erinnerungsmotiven. Während Aufführungen der Werke Gurlitts seit Beginn der 1930er Jahre erheblichen Restriktionen unterworfen waren, stand später der Muff der Adenauer-Ära im Wirtschaftswunder-(West-)Deutschland der 1950er und 1960er Jahre einer möglichen Renaissance der Gurlittschen Musik feindlich gegenüber.

„Da die Romanvorlage des Librettos auf dem damals noch gültigen ‚Index librorum prohibitorum’ der katholischen Kirche stand“, so Helma Götz in ihrer Gurlitt-Biographie, „wurde die Dortmunder Uraufführung mit einem Jugendverbot belegt.“ Als Zolas Nana 1880 erschien, war es gerade der zu erwartende Skandal, der dem Autor einen reißenden Absatz bescherte.

Ein halbes Jahrhundert später dagegen stieß Gurlitt – die „Kulturpolitik“ der braunen Machthaber warf ihren Schatten voraus – eher auf Zurückhaltung und Ablehnung: „Es scheint mir bei der heutigen Angst-Psychose der Intendanten direkt gefährlich“, so Gurlitt im September 1932 an Hans Heinsheimer von der Wiener Universal Edition, „das Buch ohne Klavierauszug Bühnen zu schicken. Die Musik ‚veredelt’ und ‚verklärt’ viel, was im Buch den ängstlichen Gemütern ‚krass’ erscheint – trotz aller Milderungen, die ich entgegen meiner persönlichen Ansicht […] vorgenommen habe.“

Schon die Wahl eines Romans von Émile Zola musste in dieser Zeit offensichtlich als skandalträchtig gewertet werden – und dann ausgerechnet die aus der Gosse emporsteigende Hure Nana! Die Parallelen zu der in dieser Zeit von der Zensur ebenfalls verbotenen Lulu Frank Wedekinds sind unübersehbar.

Gurlitts künstlerische Absichten haben sich bei der Arbeit an Nana ideal mit den Vorstellungen Max Brods – der hier nicht als Übersetzer oder Herausgeber, sondern als eigenständiger Künstler in Erscheinung tritt! – verbunden, auch wenn es aufgrund der Lebensumstände beider Künstler nach 1939 zu keiner weiteren Zusammenarbeit mehr kam: Gurlitt wanderte nach Japan aus, Max Brod floh 1939 aus Prag nach Palästina; bis zu seinem Tod im Jahr 1968 lebte er dann in Tel Aviv.

Vor allem gelang es Brod, aus dem komplizierten Handlungsgefüge des Romans mit seinen rund 100 Figuren eine bühnentaugliche Dramenfassung zu destillieren. Die Figurenkonstellation der Oper – Nana im Kräftespiel zweier sie begehrender Männer – korrespondiert dabei auffällig mit dem von Verdis La traviata her bekannten und bereits im 19. Jahrhundert viel zitierten Modell. Als sich die beiden Autoren Anfang der 1930er Jahre Émile Zolas Nana zuwandten, waren die äußeren politischen Umstände ebenso schwierig wie die künstlerisch-immanenten Herausforderungen vielfältig erschienen.

Die moderne Oper stand, um noch einmal Max Brod zu zitieren, „vor einem schwer lösbaren Dilemma, soll sich irgendwie dem Volksmäßigen nähern, einen aufgelockerten Boden musikalischer Wirkung in der Volksmenge vorfinden […], dabei aber soll sie kompromisslos streng den neuen Linien, den neuen Zusammenklängen, der modernen Formgebung […], in Treuen und erfinderisch dienen.

Also alt und neu zugleich. Wie ist das möglich?“ Sicherlich haben Gurlitt und Brod auf der Suche nach der Beantwortung dieser Frage nicht den berühmten „Stein der Weisen“ entdeckt. Aber sie haben einen bemerkenswerten Versuch unternommen, die Konventionen der großen romantischen Oper mit den Ausdrucksmitteln der Moderne nach dem Ersten Weltkrieg in einer neuen Form zu verbinden. Ein solches Experiment unvoreingenommen zu würdigen, scheint allein schon Rechtfertigung genug für die Wiederentdeckung seiner Nana. Berthold Warnecke

Streichtrio-Berlin Cover CD

Streichtrio Berlin mit DAVID LIVELY

„Es ist noch nicht lange her, fünfzehn Jahre vielleicht, da besaß ein französischer Komponist, der die Kühnheit hatte, sich auf das Gebiet der Instrumentalmusik zu wagen, kein anderes Mittel, seine Werke aufführen zu lassen, als dass er selbst ein Konzert gab und seine Freunde und die Kritik dazu einlud. An das Publikum, das eigentliche Publikum war nicht zu denken; der Name eines französischen Komponisten, noch dazu eines lebendigen, genügte, um alle Welt zu verscheuchen.“

Streichtrio Berlin CD Cover
Streichtrio Berlin mit David Lively am Klavier

Camille Saint-Saëns war es, der 1880 in der Zeitschrift Le Voltaire auf jene Zeit zurückblickte, als das Pariser Musikleben noch gänzlich von der pompösen Grand opéra und der rasant aufkeimenden Begeisterung für die Bühnenwerke Richard Wagners dominiert wurde.

Wortloser Musik standen die Franzosen skeptisch gegenüber spätestens seit Jean-Jacques Rousseau sie 1767 in seinem Dictionnaire de Musique der Vokalmusik gegenüber zur inferioren Tonkunst degradiert hatte.

Ihr mangelte es, so Rousseau, an der Fähigkeit etwas Konkretes auszudrücken. Paradigmatisch für diese Haltung ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde der berühmte Ausspruch „Sonate, que me veux-tu?“ (dt.: „Sonate, was willst du mir sagen?“) von Bernard le Bovier de Fontenelle.

Als Folge dieser Skepsis führte insbesondere die instrumentale Kammermusik bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts
ein Schattendasein in Frankreich.

Während sich im deutschsprachigen Raum, ausgehend vom Spätwerk Beethovens über die Kompositionen Mendelssohns, Schumanns und Brahms‘ die Kammermusik fortlaufend neben der vokalen und sinfonischen Musik entwickelte, kann man in Frankreich keine stringente Tradition ausmachen, die Komponisten wie Gabriel Fauré und Ernest Chausson einen unmittelbaren Anknüpfungspunkt für ihre Werke geboten hätte.

Einen Wendepunkt markiert die Niederlage Napoléons III. im Deutsch-Französischen Krieg 1871, die, sicherlich im Sinne einer Abgrenzung gegenüber des Feindes, zu einem gesteigerten Identitätsbewusstsein der Franzosen führte. Der Wunsch nach einer „ars gallica“ wurde vielerorts laut, der Wunsch nach einer originär französischen Kunst, die sich nicht dem Diktat des östlichen Nachbarn zu unterwerfen hatte.

Auf dem Gebiet der Komposition wollte man fortan insbesondere junge Talente fördern, was Camille Saint-Saëns dazu veranlasste, zusammen mit einigen seiner namhaftesten Kollegen, noch im Jahr des Kriegsendes die Société Nationale de Musique zu gründen.

Trotz des geringen finanziellen Budgets, das der Société zur Verfügung stand, lud man hochkarätige Musiker wie Pablo de Sarasate oder Eugène Ysaÿe ein, die die neuen Kompositionen zur Aufführung brachten.

Gabriel Fauré, selbst Mitglied der Société, bemerkte 1922 in einem Interview: „Um ehrlich zu sein, vor 1870
hätte ich nicht im Traum daran gedacht, eine Sonate oder ein Quartett zu komponieren. In dieser Zeit hatte ein Komponist keine Chance mit solchen Werken gehört zu werden. Den Anstoß gab mir dann Saint-Saëns mit der Gründung der Société National de Musique.“ Tatsächlich brachten weder die 1875 komponierte Violinsonate noch das kurze Zeit später entstandene Klavierquartett op.15 Fauré einen finanziellen Gewinn ein, denn die Verleger wollten sie nur herausgeben, wenn der Komponist auf ein Honorar verzichtete.

Fauré war auf sein Einkommen als Organist angewiesen und schrieb diese Werke aus einem originär künstlerischen Bewusstsein heraus, das die Société förderte. Dennoch kann man sein op.15 keinesfalls als Paradebeispiel für eine „ars gallica“ heranziehen, denn Fauré bezieht sich hier – wie übrigens die meisten seiner progressiven Zeitgenossen in Ermangelung einer eigenen Tradition – ganz unmittelbar auf die klassischromantischen Vorbilder des deutschsprachigen Raums, um sie mit seiner eigenen Tonsprache zu verschmelzen.

In den Jahren 1876 bis 1879 arbeitete Fauré an seinem ersten Klavierquartett c-Moll. Hauptsächlich auf formaler Ebene bezieht er sich auf klassische Modelle, denn der musikalische Inhalt ist – obschon es sich um ein relativ frühes Werk Faurés handelt – schon deutlich vom Personalstil des Franzosen geprägt.

Charakteristisch ist ein fortwährender Bewegungsdrang der Musik, der sich mal in heroisch-romantischem Überschwang wie im ersten Satz, mal in verspielt-humorvoller Weise wie im Perpetuum mobile des Scherzos, aber auch in ganz inniger Expressivität wie im ungemein klangschönen Adagio findet.

Faurés Satzstruktur ist bei allem jugendlichen Pathos, den das Werk vermittelt, bemerkenswert transparent, sodass sein großer Detailreichtum offenbar wird. Neben dem witzigen Scherzo, in dessen Mittelteil Fauré die Streicher mit Dämpfer eine Art parodistischen Anklang an die Salonmusik darbieten lässt, ist es vor allem die sogartige Intensität des langsamen Satzes, die in dieser Komposition besticht.

Bei der Uraufführung des Klavierquartetts am 11. Februar 1880 im Rahmen eines Konzertes der Société übernahm der Komponist selbst den anspruchsvollen Klavierpart.

Das Werk wurde zwar sehr positiv aufgenommen, doch wurde Kritik am Finalsatz laut, den man offenbar als weniger gelungen empfand, was Fauré dazu veranlasste, diesen komplett umzuarbeiten und die ursprüngliche Version zu vernichten. Die „zweite“ Uraufführung fand dann am gleichen Ort und wiederum mit Fauré am Klavier im April 1884 statt und brachte dem Komponisten den ersehnten – wenn schon nicht finanziellen, so doch zumindest künstlerischen – Erfolg ein.

Der 1855 in Paris geborene Ernest Chausson brauchte sich keine Sorgen um seinen Lebensunterhalt zu machen, denn er entstammte einer wohlhabenden Familie, die seine vielfältigen Talente umfassend förderte.

Dem Wunsch der Eltern gemäß studierte Chausson zwar zunächst Rechtswissenschaften und arbeitete kurzzeitig als Anwalt, widmete sich dann aber seiner Leidenschaft für die Musik und nahm Kompositionsunterricht bei Jules Massenet und César Franck. Bald war er gern gesehener Gast in den renommierten Salons der französischen Hauptstadt, wo er mit den namhaftesten Künstlern seiner
Zeit verkehrte, darunter Persönlichkeiten wie Edgar Degas, Édouard Manet, Stephane Mallarmé, Eric Satie, der
junge Claude Debussy, den Chausson umfassend förderte, und nicht zuletzt auch Gabriel Fauré.

Ähnlich wie im Falle Faurés ist auch Chaussons kompositorisches OEuvre, das bedingt durch seinen frühzeitigen
Tod durch einen Fahrradunfall im Jahr 1899 recht schmal geblieben ist, formal der deutschen klassisch-romantischen Tradition verpflichtet. Ebenso wie Fauré sucht Chausson bei der inneren Gestaltung der Form nach einer neuen Klanglichkeit, wobei ihn zeit seines Lebens große Selbstzweifel plagten. „Ich bin sicher, dass die ‚Naufragés de la Méduse‘ nicht so ängstlich auf der Suche eines Segels am Horizont waren wie ich es bin, auf der Suche eines Zieles in meinem Leben,“ äußerte er einmal.<

Die innere Zerrissenheit und depressive Grundstimmung des Komponisten stehen in scharfem Kontrast zu der heiteren Ausgelassenheit der Salonatmosphäre, in der sich Chausson bewegte, was man auch seiner Musik anzuhören meint. In seinem 1897 geschriebenen Klavierquartett A-Dur op.30, das eines seiner letzten Werke ist, offenbart sich eine Mischung aus melancholischer Ernsthaftigkeit und entspannter Heiterkeit.

Bemerkenswert ist die zyklische Gestaltung des Werkes, in dem die Themen der ersten drei Sätze im Finale noch einmal zusammengeführt werden. Jeder Satz hat einen individuellen Charakter, was das Werk für den Hörer ungemein abwechslungsreich gestaltet: Das hüpfende pentatonische Hauptthema des Kopfsatzes versprüht einen gewitzten Charme, den der zweite Satz durch seinen getragenen, streckenweise ins Dramatische gesteigerten Ton kontrastiert. Der dritte Satz Simple et sans hâte ist ein betörender Tanz, dem ebenso wie der Pentatonik des ersten Satzes eine exotische Note anhaftet, wohingegen das stürmische Finale sich wieder ganz eines romantisch-drängenden Gestus‘ bedient.

Seine Uraufführung erfuhr das Klavierquartett am 21. März 1893 organisiert durch die Société de Musique française, einer weiteren, durch Édouard Nadaud gegründeten Vereinigung zur Förderung der „ars gallica“.

Wie auch Gabriel Fauré ist Ernest Chausson, der als einer der begabtesten Komponisten seiner Zeit gelten muss und dessen Werke heute zu Unrecht nur sehr sporadisch auf den Konzertprogrammen erscheinen, ein Wegbereiter des französischen Impressionismus und damit ein verbindendes Glied zwischen der deutsch-romantischen Tradition und der Emanzipation einer „französischen“ Musik, wie sie die Generation um Maurice Ravel und Claude Debussy nur wenig später erfolgreich hervorbringen sollten. (Text: Susanne Ziese)

Streichtrio Berlin

Thomas Selditz – Violine, Felix Schwartz – Viola und Andreas Greger – Violoncello.

“Die drei bilden ein traumhaft sicher abgestimmtes Trio”, denn “Selditz, Schwartz und Greger sind ein hundertprozentig eingespieltes Team, das sich blind versteht”, schrieb die Bonner Rundschau vor Kurzem und die FAZ schwärmte von “exzellenter Balance”. Publikum und internationale Presse – von der Ensemblekunst auf höchstem Niveau seit Jahren begeistert – attestieren dem Streichtrio Berlin eine besonders konzentrierte, von Spannung erfüllte Bühnenpräsenz, die sich auf den Hörer überträgt.

Für spielerische Gestik wird besonders Raum geschaffen, indem Violine und Viola stehend spielen.
1991 unter dem Namen Gaede Trio in Berlin gegründet, spielt das Ensemble seit 2006 in der Besetzung mit Thomas Selditz (Violine), Felix Schwartz (Viola) und Andreas Greger (Violoncello), jetzt unter neuem Namen Streichtrio Berlin.

Wieder erhältlich sind zudem zahlreiche Einspielungen bei Sony/Japan, Largo Records und Tacet, die unter
dem Namen Gaede Trio veröffentlicht wurden. Besonders hervorzuheben sind darunter die Aufnahme der
Trios von Beethoven, der Goldberg-Variationen, sowie des Streichtrios „Le Chimay“ von Eugène Ysaÿe, die allesamt uneingeschränktes Lob durch die Fachpresse und Auszeichnungen wie „Audiophile CD des Monats“ (Stereoplay), „Stern des Monats“ (FonoForum), „Empfehlung des Monats“ (Klassik Heute) und den „Diapason d‘Or“ in Frankreich erhielten.

Das Streichtrio Berlin konzertiert weltweit, neben Deutschland zuletzt in England, der Schweiz, der New Yorker
Frick-Collection, im Pariser Théâtre du Châtelet und im Wiener Musikverein. Darüber hinaus ist das Ensemble
regelmäßiger Gast bei bedeutenden Kammermusikfestivals von der Styriarte Graz und dem Beethovenfest Bonn
bis zum Rheingau Musik Festival.

Das Repertoire des Ensembles reicht vom Barock bis zur zeitgenössischen Musik: So schrieben etwa Komponisten wie Georg Katzer und Siegfried Matthus Auftragswerke für das Streichtrio.

David Lively – Klavier

David Lively ist einer der gefragtesten amerikanischen Pianisten. Auf Einladung von Lorin Maazel gab der Pianist zahlreiche Konzerte in den USA. Mit dem Cleveland Symphony Orchestra, dem Baltimore Symphony Orchestra und dem St. Louis Symphony Orchestra trat er in den Vereinigten Staaten und in Europa auf.
David Lively studierte in den Vereinigten Staaten und in Frankreich, wo er seitdem lebt. Er ist Preisträger mehrerer internationaler Wettbewerbe: dem Marguerite Long Wettbewerb (wo er Claudio Arrau kennen lernte und einer seiner wenigen Schüler wurde), dem Queen Elizabeth Wettbewerb in Belgien, dem Moskauer Tschaikowsky Wettbewerb.

Den ersten Preis errang er beim Dino Ciani Award an der Mailänder Scala. David Livelys Karriere in Europa ist für einen Amerikaner fast einzigartig: Er war Gast beinahe aller großen europäischen Orchester wie dem Royal Philharmonic Orchestra, den Wiener Symphonikern, dem Gewandhaus Orchester Leipzig, dem Philharmonischen Orchester Paris, dem Orchestre National de France, dem English Chamber Orchestra unter der Leitung namhafter Dirigenten wie Sir Colin Davis, Sir Simon Rattle, Ferdinand Leitner, Kurt Sanderling u.v.m.

Regelmäßig tritt David Lively als Solist bei Europatourneen renommierter Orchester auf, so mit den Budapester
Philharmonikern, dem Belgischen National Orchester, dem Sinfonie Orchester des Südwestdeutschen Rundfunks
und dem Orchester de la Suisse Romande. In zahlreichen Soloabenden begeisterte er bereits Publikum und
Presse in der ganzen Welt.

David Livelys Repertoire umfasst Werke von der Renaissance bis zur Gegenwart, wobei er sich besonders für die Musik amerikanischer Komponisten wie Elliott Carter und Aaron Copland einsetzt, deren Werke er in Zusammenarbeit mit den Komponisten einspielte. Wenngleich sein Schwerpunkt auf dem 19. Jahrhundert liegt, engagiert er sich ebenso für die Aufführung zeitgenössischer Werke, wie beispielsweise „Riverrun“ von Toru Takemitsu (europäische Erstaufführung) oder „Cris“ von Williams Blanks (Welturaufführung). Blank hat auch eines seiner jüngsten Werke, das Konzert „Reflecting Black“ David Lively gewidmet, der es mit dem Orchestre de la Suisse Romande unter der Leitung von Dennis Russell Davies uraufführte.

Als hoch geschätzter Kammermusikpartner konzertierte David Lively zusammen mit dem Melos Quartett und dem Borodin-Quartett. Er ist zudem künstlerischer Leiter des Saint Lizier Festivals in den Pyrenäen, wo er u.a. mit Elly Ameling, Martha Argerich, Eugene Istomin, Jörg Demus, Ruggiero Ricci und Paul Badura-Skoda zusammenarbeitet, um junge Nachwuchstalente im kammermusikalischen Spiel zu fördern.

Mit wachsendem Interesse für die Geschichte des Klaviers entwickelt David Lively eigene innovative musikalische Projekte. Dazu gehören die Wiederentdeckung des «Romantischen Kammerkonzerts», eines musikalischen Genres, das seinen Höhepunkt zu Beginn des 19. Jahrhunderts erlebt hat, sowie das Projekt «Trois Visions de Dieu» – eine Verbindung dreier Meisterwerke von Bach, Beethoven und Liszt oder die Klanginstallation «Jeux de Prisme», die in Zusammenarbeit mit Jean-Baptiste Barrière entstanden ist und impressionistische Musik mit neuen Musiktechnologien kombiniert.

Von David Lively liegen Aufnahmen u. a. bei Deutsche Grammophon vor, darunter die Einspielung sämtlicher
Klavierwerke von Philippe Boesmans und der Konzerte von Joseph Marx.

David Lively lehrte am Pariser Konservatorium und an der Wiener Hochschule; an der Glasgow Royal Scottish
Academy und der Chapelle Royale in Belgien gab er Meisterkurse.

Derzeit ist er Leiter des Klavierwettbewerbs an der École Normale de Musique de Paris «Alfred Cortot»,
wo er selbst als Sechzehnjähriger die höchste Auszeichnung erhielt. Als Jurymitglied ist er international u.a. beim Queen Elizabeth Wettbewerb tätig.

ERNEST CHAUSSON (1855 – 1899)
Klavierquartett A-Dur op. 30
Piano Quartet in A major Op. 30
1 1. Animé . . . . . . . [11’16]
2 2. Trés calme . . . . . . . [9’42]
3 3. Simple et sans hâte . . . . . . . [3’47]
4 4. Animé . . . . . . . [10’24]
GABRIEL FAURÉ (1845 – 1924)
Klavierquartett Nr.1 c-Moll op. 15
Piano Quartet No.1 in C minor Op. 15
5 1. Allegro molto moderato . . . . . . . [9’13]
6 2. Scherzo. Allegro vivo . . . . . . . [6’10]
7 3. Adagio . . . . . . . [6’04]
8 4. Allegro molto . . . . . . . [8’11]
DAVID LIVELY, Klavier / piano
STREICHTRIO BERLIN
Thomas Selditz, Violine / violin · Felix Schwartz, Viola
Andreas Greger, Violoncello / cello

Royal Wedding - Die königliche Hochzeitsmusik CD Cover

Royal Wedding – Die königliche Hochzeitsmusik

2011 steht voll und ganz im Glanz der königlichen Hochzeiten. Nach acht Jahren Dauerbeziehung, wird nun endlich ein königliches Märchen wahr, Prinz William und seine Verlobte Kate Middelton treten vor den Traualtar.

Royal Wedding - Die königliche Hochzeitsmusik CD Cover
Royal Wedding - Die königliche Hochzeitsmusik

Traditionsgemäß geben Sie sich in der Westminster Abbey das Ja-Wort und so schaut die ganze Welt am 29. April 2011 gerührt nach London.

Nur knapp zwei Monate später, am 02. Juli, wird Fürst Albert von Monaco seine Dauerfreundin Charlene Wittstock heiraten.

Zwei königliche Hochzeiten, die schon seit ihrer Bekanntgabe das Dauerthema und der Blockbuster in der weltweiten Boulevardpresse sind. Zu diesen feierlichen Anlass veröffentlicht Edel Germany die CD „Royal Wedding – Die königliche Hochzeitsmusik“ präsentiert von dem Adelsexperten Rolf Seelmann-Eggebert.

Dieser „Hochzeitssoundtrack“ liefert klassische Titel wie Mendelssohns „Hochzeitsmarsch“ aus „Ein Sommernachtstraum“ oder „Treulich geführt, ziehet dahin“ von Wagner, auch bekannt als „Hier kommt die Braut“.

Zusätzlich bietet das Booklet die schönsten Hochzeitsbilder aus europäischen Königshäusern. Der Journalist Rolf Seelmann-Eggebert ist einer der bekanntesten deutschen Adelsexperten, der seit 30 Jahren über den europäischen Adel berichtet.

Bereits bei der königlichen Hochzeit von Victoria & Daniel im letzten Jahr, stand er als Kommentator für die ARD vor der Kamera. Seelmann-Eggebert hat exklusiv für die CD „Royal Wedding – Die königliche Hochzeitsmusik“ ein Vorwort geschrieben. Er kommentiert alljährlich die Liveübertragung der „Trooping the Colour“ (Militärparade zu Ehren des Geburtstages der Queen) im Ersten.

1985 erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande. Auch bei der Hochzeit von Kate und William am 29.04.2011 wird der Adelsexperte für die Live Berichterstattung von der Hochzeit des Jahres vor der Kamera im Ersten stehen. Die CD „Royal Wedding – Die königliche Hochzeitsmusik“ erscheint am 01.04.2011 und ist ein Muss für jeden Royalsfan und der ideale Begleiter für die Übertragungen der anstehen „Weddings“.

William und Kate Middleton, dem königlichen Brautpaar in Großbritannien, weiß man, dass es im Alltag viel übrig hat für Rock und Pop, für zeitgenössische Unterhaltungsmusik. Das galt auch für Williams Mutter, die legendäre Prinzessin Diana. Sie fand in dieser Musikszene sogar enge persönliche Freunde wie Elton John, dessen Song „Candle in the Wind“ bei der Trauerfeier für Diana 1997 Fernsehzuschauer in aller Welt zu Tränen rührte.

Aber bei einer Hochzeit, die viele als den schönsten Tag ihres Lebens in Erinnerung behalten möchten, bedienen sich die königlichen Familien in der Regel doch lieber eines anderen Repertoires. Sie greifen zurück auf Werke, die den Test der Zeit schon bestanden und sich in Jahrhunderten als festliche Musiken bewährt haben.

Das war auch 1981 so, als Prinz Charles und Diana vor den Traualtar der St. Paul´s Kathedrale traten. Die heute weltberühmte Sopranistin Dame Kiri te Kanawa sang damals „Let the bright Seraphim“ aus dem Oratorium Samson von Georg Friedrich Händel, danach folgte der Pomp and Circumstance March no. 4 von Edward Elgar – etwas fürs Gemüt, etwas für die Nation. Viele Kompositionen, die uns aus der Zeit der Renaissance, des Barock, der Klassik, der Romantik überliefert sind, verdanken wir Musikern, die ihr Leben lang für die fürstlichen Höfe Europas gearbeitet haben.

Wenn bei einer königlichen Familie eine Trauung anstand, eine Taufe oder auch ein Todesfall – immer wieder wurde von dem Hofkomponisten erwartet, dass er für das jeweilige Ereignis den richtigen Ton traf: mal ausgelassen fröhlich, mal glanzvoll, mal tröstend. Dasselbe galt natürlich auch für Staatsakte, eine Krönung zum Beispiel oder einen lang herbeigesehnten Friedensschluss nach Jahren kriegerischer Auseinandersetzung. Der in Halle 1685 geborene Georg Friedrich Händel beherrschte diese Kunst, es seinen aus Hannover stammenden königlichen Herren Georg I. und Georg II. recht zu machen, derart perfekt, dass er 1759 als ein reicher Mann in London starb.

Übrigens verdanken wir in Deutschland es in erster Linie der großen Zahl unserer ehemals regierenden Häuser, dass wir noch heute über eine musikalische Infrastruktur verfügen, um die uns die ganze Welt beneidet. Denn ob Fürst, König oder Kaiser – jeder Feudalherr legte Wert darauf, mit seinem eigenen Orchester und Opernhaus zu glänzen. Und als es mit dem Glanz 1918 zu Ende ging, gab sich die Republik Mühe, das kulturelle Erbe einer verflossenen Zeit auch weiterhin zu pflegen.

Der andere Quell, aus dem sich die Musik über Jahrhunderte nährte, war natürlich die Kirche. Der Brauch, jeden Sonntag mit einer anderen Kantate, jedes Kirchenfest mit einem anderen Oratorium zu begehen, hat uns einen unglaublichen Reichtum wunderbarer Werke beschert. Aus dieser Schatzkiste der Vergangenheit kann sich nun jedermann bedienen, egal, ob man aus einer adligen Familie oder einem Bürgerhause stammt.

Zwar ist es richtig, dass bei einer königlichen Hochzeit oft Solisten, Chöre und Orchester den Ton angeben. Aber das „Ave Maria“ von Bach/Gounod kann auch sehr schön klingen, wenn die Singstimme nur von der Orgel begleitet wird, gar nicht zu reden davon, was die Orgel, die „Königin der Instrumente“, auch ganz alleine vermag.

Händels Amt des „Hofkomponisten“ gibt es übrigens am Hofe von St. James` bis auf den heutigen Tag, nur, dass sein gegenwärtiger Inhaber Sir Peter Maxwell Davies, der sich „Master of the Queen´s Music“ nennt, eher mit einem symbolischen Ehrensold als einer angemessenen Vergütung rechnen darf. Es gibt auch noch einen Hofpoeten. Und wenn Majestät ihr Frühstück einnimmt, spielt vor der Tür der Dudelsackpfeifer der Königin. Charles darf als Prince of Wales die Dienste einer Harfinistin in Anspruch nehmen.

Royal Wedding – Die königliche Hochzeitsmusik Tracklist:

1 Edward Elgar – „Pomp And Circumstance“ Military March No.1 in D-Dur op.39 2 Johann Sebastian Bach – Toccata und fuge d-Moll BWV 565 3 Richard Wagner – „Treulich geführt ziehet dahin“ – „Das süße Lied verhallt“ aus „Lohengrin“ (Chor, Lohengrin, Staatskapelle Berlin, Otmar Suitner 4 Georg Friedrich Händel – Samson NWV 57 – Act 3 – „Let The Bright Seraphime“ 5 Antonio Vivaldi – Gloria D-Dur, RV 589 Für 2 Soprane, Alt, Chor, Trompete, Oboe, Streicher und Basso continuo Virtuosi Saxoniae, Ludwig Güttler 1. Gloria inexcelsis Deo (Allegro) 6 Georg Friedrich Händel – “Hornpipe” aus “Wassermusik (Orchestersuite Nr. 25)“ Rundfunk-Sinfonie-Orchester Berlin, Helmut Koch 7 Wolfgang Amadeus Mozart – „Exsultate, jubilate“ KV 165, KV6 (158a) Motette für Sopran, Edith Mathis 8 Johann Sebastian Bach – Messe in h-Moll BWV 232 – Gloria – 4. Gloria in excelsis Deo 9 Georg Friedrich Händel – „Halleluja“ dem Messias Oratorium HWV 56 4:07 Solistenvereinigung und Rundfunkchor Berlin, Rundfunk-Sinfonie-Orchester Berlin, Helmut Koch 10 Johann Sebastian Bach / Charles Gounod – Ave Maria Egon Morbitzer, Violine – Siegfried Stöckigt, Klavier (P) 1983 VEB Deutsche Schallplatten Berlin 11 Wolfgang Amadeus Mozart – „Krönungsmesse“ Messe No.16 C-Dur KV 317 – Gloria In Excelsis Deo 12 Jeremiah Clarke – Trumpet Voluntary „Prinz von Dänemark“ – March Blechbläserensemble Ludwig Güttler 13 Felix Mendelssohn Bartholdy – „Hochzeitsmarsch“ aus „Ein Sommernachtsstraum op. 61 (Allegro vivace)“ Staatskapelle Berlin, Günther Herbig 14 Charles-Marie Widor – „Toccata F-Dur“ 5. Satz aus der Orgelsymphonie Nr. 5 f-Moll op. 42) 6:14 Michael Pohl an der großen Sauerorgel der Thomanerkirche Leipzig 15 Amazing Grace (Bagpipes Players)

Wasilewski-Trio-Faithful Cd Cover

Wasilewski „Faithful“

Hände senken sich auf Tasten, Finger greifen in straff gespannte Saiten, Holz fällt auf Metall und streicht über Trommelfelle. Musik ist stets ein außerordentlich physischer Prozess.

Wasilewski-Trio-Faithful Cd Cover
Marcin Wasilewski / S. Kurkiewicz / M. Miskiewicz - "Faithful"

Wenn es jedoch gelingt, die Schwerkraft und Kinetik, die Reibung und oberflächliche Beschaffenheit des Materials, wie auch die Unumkehrbarkeit des zeitlichen Ablaufs aufzuheben, dann setzt Transzendenz ein.

Das passiert nicht allzu oft. Das Trio um den polnischen Pianisten Marcin Wasilewski aber beherrscht genau diese Kunst bis zur Vollendung.

Doch was heißt hier schon Trio. Der europäische Jazz wird gegenwärtig von Piano Trios überschwemmt. Die Mehrzahl dieser Formationen ist kaum voneinander zu unterscheiden, weil sie sich nicht über die Limits ihrer Instrumente hinwegzusetzen vermögen.

Ein Klavier wird von Bass und Schlagzeug begleitet, fertig. Beim Wasilewski Trio kommen hingegen ganz andere Kräfte zum Wirken. Die drei Musiker kennen sich seit frühester Jugend. Sie haben schon gemeinsam musiziert, lange bevor sie von ihrem Mentor Tomasz Stanko aufs internationale Jazz-Parkett gehievt wurden.

So haben sie sich Geschichten zu erzählen, die aus dem tiefsten Inneren kommen und die narrative Routiniertheit vieler Jazzproduktionen weit hinter sich lassen. Diese Geschichten basieren auf dem jedem Menschen bekannten Urbedürfnis, die schönen Eindrücke des Lebens festzuhalten, mögen sie auch noch so flüchtig sein.

„Faithful“ ist nach „January“ und „Trio“ das dritte Album der drei jungen Polen für ECM. Sie haben sich von Anfang an durch eine starke Handschrift ausgezeichnet. Stilistische Grenzen waren ihnen unbekannt, das Persönliche hatte immer Vorrang vor der Konvention.

Auf ihrer neuen CD scheint auch ein neues Selbstvertrauen zu greifen. Der Titel bringt es zum Ausdruck: eine Band entdeckt sich selbst. Sie kann weniger sagen, um mehr auszudrücken. Der Minimalismus ist faszinierend. Jede Aussage wird auf das Notwendigste reduziert.

Die poetische Einfachheit der Einspielung und die intuitive Fähigkeit der drei Musiker, die Schönheit des Augenblicks in fließenden Klängen zu manifestieren, setzen eigene Maßstäbe. Piano, Bass und Schlagzeug vereinen sich zu einer einzigen Klangquelle. Es erscheint eher zufällig als zwangsläufig, dass gerade diese drei Instrumente erklingen.

Die Musik macht sich von der physischen Übertragung der Intention der Spieler auf die Instrumente unabhängig. Wenn beispielsweise Bassist Slawomir Kurilewicz ein Solo spielt, müssen Wasilewski und Drummer Michal Miskiewicz keinen Spot dafür schaffen, sondern dieser Raum ergibt sich aus der internen Logik des gemeinsamen Musizierens.

So wie bei einem ganz normalen Gespräch unter Freunden, bei dem auch keiner sagen würde: jetzt bis du dran.

Wasilewski, Kurkiewicz und Miskiewicz ersetzen Programmatik durch Klarheit und kanonisierte Verbindlichkeit durch Transparenz. Fünf Fremdkompositionen ganz unterschiedlicher Herkunft, vom Jazzstandard übers Kunstlied bis zum Popsong, mischen sich mit fünf Originalen aus der Feder des Pianisten.

Es geht dem Trio nicht darum, die eigenen Stücke durch Hits aufzuwerten, denn für einen solchen Aha-Effekt sind die Vorlagen von Hanns Eisler, Ornette Coleman, Hermeto Pascoal, Paul Bley und dem Beat-Musical „The Nervous Set“ wohl allgemein zu wenig bekannt. Es ist auch nicht jenes Kräftemessen der persönlichen Intuition mit den Errungenschaften der Vergangenheit, die gerade im Jazz immer noch für viele Musiker eine Herausforderung darstellt.

Nein, hier geht es um die Musik selbst, frei von allen Einschränkungen, seien sie nun stilistischer, geografischer oder merkantiler Natur. Es ist jedem Hörer selbst überlassen, ob er diese Stücke Jazz nennen will oder einfach nur Musik bzw. Klangdichtung. Wasilewski und Co. fordern beim Hören keine Voraussetzungen. Sie laden lediglich ein, sich auf die poetische Offenheit ihrer Exkurse einzulassen. Diese Musik entstand aus ihrem Leben heraus und wird im Alltag jedes einzelnen Hörers etwas völlig anderes auslösen.

„Faithful“ ist ein wohltuender Kontrapunkt zur pathologischen Beliebigkeit des aktuellen Musikbetriebs, egal ob Pop, Jazz oder Klassik, der sich nur allzu oft in kurzlebigen Parolen, aufgesetzten Haltungen oder platten Images verrennt. Wasilewski, Kurkiewicz und Miskiewicz nehmen sich die unerhörte Freiheit, einfach nur sie selbst mit ihren individuellen Lebensgeschichten und Schlussfolgerungen zu sein.

Die Konsequenz ist eine Musik, die sich gleichermaßen in der Zeit wie im Augenblick ausbreitet und somit ebenso zum Abschalten wie zur aufmerksamen Teilhabe auffordert. Vor allem ist „Faithful“ aber ein Kunstwerk, das vom ersten Ton an ganz und gar in den Besitz dessen übergeht, der es hört. Welch ein Geschenk!

www.wasilewski-trio.de

Live- Termine:

08.4.11 Bremen Sendesaal
09.4.11 Hannover Jazz Club
10.4.11 München Ampere
11.4.11 Leipzig Jazz Club
13.4.11 Köln Stadtgarten
14.4.11 Berlin A-Trane
15.4.11 Stuttgart Bix

ERKKI MELARTIN THE SOLO PIANO WORKS MARIA LETTBERG Cd Cover

ERKKI MELARTIN THE SOLO PIANO WORKS MARIA LETTBERG

Für ErFür Erkki Melartin (1875– 1937) war Komponieren das Ein und Alles im Leben, und er betrachtete diese Tätigkeit als seine einzige wahre Berufung. „Komponieren zu können, das ist mein tägliches Gebet“ schrieb er während der Genesungsphase nach überstandener Tuberkuloseerkrankung.

ERKKI MELARTIN THE SOLO PIANO WORKS MARIA LETTBERG Cd Cover
ERKKI MELARTIN THE SOLO PIANO WORKS MARIA LETTBERG

„Ich kann ganz einfach dem inneren Druck nicht standhalten ohne zu explodieren, wenn ich nicht in der Lage bin, Musik nieder zuschreiben“ klagte er in einer ausgesprochen arbeitsreichen Phase als Dirigent. Dieser Leidenschaft blieb er bis zum Ende treu.

Er hörte nicht auf die Ratschläge seiner Ärzte, sondern stand nur wenige Wochen vor seinem Tod leise auf und versperrte heimlich die Tür zu seinem Arbeitszimmer um in Ruhe komponieren zu können.

Nichtsdestotrotz gelang es Melartin, seine lebenslange Mission mit zahlreichen anderen beruflichen Aktivitäten in Einklang zu bringen. Von 1908 bis 1911 war er Dirigent des Viipuri (Vyborg) Orchesters und widmete sich beinahe 30 Jahre lang der Vermittlung von Musiktheorie. 25 Jahre war er dem Helsinki Music Institute, der heutigen Sibelius Akademie, als Direktor und Professor für Komposition verbunden.

Melartin war eine fesselnde und vielbegabte Persönlichkeit. Seine Hobbys reichten von Zeichnen und Malen über Fotografie und Kunstgeschichte, Literatur, Sprachen bis zur Gärtnerei; seine intensive Reisetätigkeit bleibt dabei noch völlig unerwähnt.

Auch war er ein passionierter Sammler von Briefmarken, Ex Libris und Postkarten. Idealismus und eine strenge Moral bestimmten sein Weltbild und in seinen späten Jahren widmete er sich nicht nur der Theosophie sondern auch der indischen Philosophie und dem Mystizismus. Melartin wurde 1875 in Käkisalmi (Kexholm), einer karelischen Stadt am Ladoga See in Finnland geboren. Später, während des Zweiten Weltkriegs wurde das Gebiet der Sowjetunion zugeschlagen.

Er studierte Komposition bei denselben Lehrern wie sein zehn Jahre ältere Zeitgenosse Jean Sibelius: bei Martin Wegelius 1892-1899 in Helsinki und bei Robert Fuchs 1899-1901 in Wien.

Bald machte er sich einen Namen als Komponist von Klavierstücken, Solos, Begleitmusik und Kammermusik. Endgültig schaffte er den Durchbruch in Finnland mit seiner Bühnenmusik für Dornröschen 1904 und seinen ersten drei Sinfonien, die 1903, 1905 und 1907 uraufgeführt wurden.

Bis zu den 1910er Jahren kann man ihn eigentlich neben Sibelius als den einzigen Sinfoniker Finnlands bezeichnen. In seinem kompositorischen Schaffen war Melartin vielseitig und ausgesprochen produktiv: sechs Sinfonien, die Oper Aino und das Ballet Die blaue Perle, ein Violinkonzert, sinfonische Gedichte, Orchestersuiten und eine Vielzahl an Instrumentalund Gesangsstücken.

Es ist zutreffend, dass seine Musik oftmals von der National-Romantik und Einflüssen lyrischer Finnischer Volksmusik geprägt ist, es finden sich aber auch spätromantisch expressionistische Elemente, sowie Einflüsse aus Symbolismus und Impressionismus. Seine späteren Werke zeigen auch eine klar modernistische Prägung. Melartin selbst spielte Klavier, wobei er weniger als Solist sondern vielmehr als Liedbegleiter und als Experte für freie Improvisation in Erscheinung trat. Melartins Klaviermusik ist stark in der lyrischen nordischen Tradition im Geiste Griegs verwurzelt.

Im Vergleich zum dunklen nordischen Ton von Sibelius finden sich in Melartins musikalischem Idiom oft leichtere und flüchtigere Färbungen. Generell scheint ein Charakteristikum von Melartins Klavierstücken die Synthese von nordischem Impressionismus, Spätromantik und Russischer Moderne zu sein. Melartin war völlig zweisprachig. Er benannte seine Werke oft abwechselnd auf Finnisch oder Schwe-disch, sofern er nicht deutsche oder klassisch italienische und französische Titel verwendete. In dieser Aufnahme sind die Titel von Melartins Klavierstücken auf Finnisch oder Schwedisch, Deutsch und Englisch angegeben.

Späne I [Lastuja I], Op. 7 (1898– 1900) ist eine Sammlung von sechs Charakterstücken oder „Lieder ohne Worte“ für Klavier. Der Titel Lastuja bezieht sich auf eine Reihe nicht zusammenhängender lyrischer Gedanken oder kurzer Novellen der Finnischen nationalromantischen Literatur. Jedes der Stücke dieser Sammlung basiert auf einem poetischen Text und machte Melartins Namen dank der darin enthaltenen aufrichtigen vaterländischen Gefühle in Finnland weithin bekannt.

Legende II, Op 12 (1900) wurde in Wien komponiert, wobei ein Grossteil des Materials dafür aus einer von Melartin geschriebenen Begleitmusik zu einem symbolistischen Stück von G. Hauptmann stammte. In dem Werk findet sich viel virtuose und jugendliche Romantik, was es schon zu Lebzeiten Melartins bei Klavierschülern beliebt machte. Der Garten der Melancholie [Surullinen puutarha], Op. 52 (1908) ist eine der besten lyrischen Kompositionen Melartins, der das Stück ursprünglich für Orchester geplant hatte.

Die fünf impressionistischen Musikgedichte entstanden in Viipuri (Vyborg) zu einer Zeit als Melartins Leben von tief empfundener Enttäuschung und Einsamkeit geprägt war. Dem ungeachtet widmete Melartin das Meisterwerk seinem Zeitgenossen Jean Sibelius, dem „lieben großen Bruder Jean“, dem er in einem Brief seine besten Grüsse und Worte der Bewunderung schickte. In seiner Antwort zeigte sich Sibelius sehr stolz über Melartins edle Geste: „Ich danke Ihnen für die Suite, den Brief und die liebenswürdigen Worte.

Diese Suite ist eine hervorragende poetische Arbeit. Sie haben eine ausgesprochen geschickte Form gefunden Einsamkeit auszudrücken. Ich verstehe Sie sehr gut.“ Der Zyklus hat inneren Pathos und Virtuosität und repräsentierte zu jener Zeit in Finnland eine neue musikalische Form, mit Ganztönen und unkonventionellen Harmonien. Lyrische Stücke für Klavier, Op. 59 (1909) ist eine Sammlung von fünf klassisch betitelten Stücken für Piano, entstanden in Viipuri (Vyborg).

Der Charme dieser „Albumblätter“ wurde von Klavierschülern und Amateuren in Finnland erkannt und geschätzt. Viele der Stücke sind seinen musikbegeisterten Freunden oder bewundernswerten jungen Damen der örtlichen High Society gewidmet.

Der geheimnisvolle Wald [Den hemlighetsfulla skogen], Op. 118 (veröffentlicht 1923) ist ein exquisiter Zyklus impressionistischer Bilder. Er ist mit effektvoller Pianotechnik und recht modernen Ideen angereichert, die von der eigensinnigen Wiederholung bis zur fragmentarischen Ausdrucksweise, der gleichzeitigen Verwendung hoher und niedriger Stimmlagen, Halb- und Ganztönen, Tritonus und Flageoletti reichen.

Sechs Klavierstücke, Op. 123 (1924-25) ist eine Sammlung von Werken, in denen Melartin zu einem traditionalistischerem Klavierspiel zurückgefunden hat, ohne jedoch dabei etwas von seiner individuellen Note und musikalischen Qualität zu verlieren.

Die Komposition enthält viel frische und natürlich fließende Musik, in manchen Teilen aber auch Chromatik und selbstständige moderne Harmonien. 24 Preludes Op. 85 (1913–1920). In seinen 24 Preludes verbindet Melartin die Traditionen vieler Klavierkomponisten, vielleicht als Antwort auf eine Herausforderung durch seinen Finnischen Kollegen Selim Palmgren, einem auf Klaviermusik spezialisiertem Zeitgenossen, der seine eigenen 24 Preludes bereits 1907 geschrieben hatte.

Melartin begann 1913 mit der Arbeit, es sollte jedoch sieben Jahre dauern den Zyklus abzuschließen. Stilistisch sind die Preludes sowohl den klassischen und romantischen Modellen verbunden, als auch Debussy, Ravel, Scriabin und Sibelius verpflichtet. Jede Prelude besitzt einen deskriptiven Titel, der die musikalische Idee – wie zum Beispiel ‚Japanische Kirschblüte’ oder ‚Herbstnacht’ – widerspiegelt. Die Preludes erhielten in den 1920er Jahren sehr gute Rezensionen, unter anderem von Deutschen Kritikern. Noli me tangere, Op. 87 (1914), bedeutet „Rühr mich nicht an“ und bezeichnet einen Zyklus von fünf Bildern, die oftmals zu Melartins besten Arbeiten für Klavier gezählt werden.

Die kurzen Stücke sind eindeutig im mehr oder weniger asketischen skandinavischen Impressionismus beheimatet. Zusätzlich entwickeln einige der Stücke recht moderne dissonante Harmonien oder zeigen sogar atonale Elemente. Die Stimmung ist von introvertierter Melancholie und Trostlosigkeit gekennzeichnet. Legende I , Op. 6 (1898) war lange Zeit eines von Melartins beliebtesten Klavierstücken. Seine Wurzeln hat das Stück im lyrischen nordischen Ton, da Melartin in seinen frühen Jahren ein großer Bewunderer Griegs gewesen war. Melartin verwendet darin bisweilen feine modale Harmonien, öffnet aber im Mittelteil sein junges Herz ganz dem romantischen Pathos.

Sonate I (Fantasia apocaliptica per il pianoforte), Op. 111 (1920) ist Melartins umfangreichste Arbeit für Piano und kann als sein Hauptwerk im Bereich Klavierkomposition angesehen werden. 1921 schrieb der Komponist selbst, dass er ‚eine wilde apokalyptische Fantasie’ geschaffen habe, ‚deren moderner Geist sogar den drei Menschen zu stark ist, die das Stück jemals einstudiert haben’.

Tatsächlich geriet die ausgesprochen expressive und expressionistische Sonate für Jahrzehnte praktisch in Vergessenheit. In finnischen Musikerkreisen wurde die nicht publizierte Sonate mit all ihrer apokalyptischen und phantastischen Modernität zur fernen Legende. Glücklicherweise wurde das Manuskript in den 70er Jahren gefunden und die Sonate 1984 erstmals eingespielt.

ERKKI MELARTIN THE SOLO PIANO WORKS MARIA LETTBERG CD 1

1-6 Lastuja I, Op. 7, Kuusi pianokappaletta / Späne I, Op. 7, Sechs Klavierstücke Chips I, Op. 7, Six Pieces for Piano 7 Legend II, Op. 12 / Die Legende II, Op.12 / The Legend II, Op. 12 8-12 Surullinen puutarha, Op. 52 / Der traurige Garten, Op. 52 The Melancholy Garden, Op. 52 13-17 Lyyrisiä pianokappaleita, Op. 59 / Lyrisches, Op. 59 / Lyric Pieces for Piano, Op.59 18-23 Den hemlighetsfulla skogen, Op. 118, Sex pianostycken Der geheimnisvolle Wald, Op. 118, Sechs Klavierstücke The Mysterious Forest, Op. 118, Six Pieces for Piano 24-29 Sex pianostycken, Op. 123 / Sechs Klavierstücke, Op. 123 Six Pieces for Piano, Op. 123

ERKKI MELARTIN THE SOLO PIANO WORKS MARIA LETTBERG CD 2

1-24 24 Preludier, Op. 85 / 24 Präludien, Op. 85 / 24 Preludes, Op. 85 25-29 Noli me tangere, Op. 87, Stämningsbilder / Stimmungsbilder / Impressions 30 Legend I, Op. 6 / Die Legende I, Op.6 / The Legend I, Op. 6 31 Sonata I, Op. 111, Fantasia apocaliptica per il pianoforte MARIA LETTBERG, Klavier / piano C L A S S I C S

PIANO RARITIES – ERKKI MELARTIN THE SOLO PIANO WORKS MARIA LETTBERG

Lastuja I, Op. 7 · The Legend II, Op. 12 · The Melancholy Garden, Op. 52 The Mysterious Forest, Op. 118 · 24 Preludes Op. 85 · Fantasia apocaliptica Maria Lettberg Erkki Melartin (1875-1937)

JEAN - PHILIPPER AMEAU ZAÏS CD Cover

JEAN – PHILIPPER AMEAU

Als Jean-Philippe Rameau 1733 mit fünfzig Jahren seine erste Oper Hippolyte et Aricie auf die Pariser Bühne brachte, erwartete niemand, dass der bis dahin wenig bekannte Komponist in den folgenden 25 Jahren über zwanzig musikdramatische Werke herausbringen und enthusiastisch gefeiert werden würde.

JEAN - PHILIPPER AMEAU ZAÏS CD Cover
JEAN - PHILIPPER AMEAU ZAÏS · HIPPOLYTE ET ARICIE ORCHESTERSUITEN

Im Unterschied zur italienischen Oper des 18. Jahrhunderts steht in der französischen nicht der virtuose Gesang im Zentrum.

Die Musik hat ihren Ort in erster Linie in den Divertissements, Ballett- und Chorszenen mit aufwändiger szenischer Ausstattung.

Sie dienen der psychologischen Vertiefung der Handlung oder der Einführung neuer Ausdrucksdimensionen und setzen sich aus solistischen Airs, Chören, programmatischen Orchestersätzen (sogenannte symphonies) und Tänzen zusammen. Im Laufe der Zeit bildeten sich bestimmte szenische und musikalische Topoi heraus: Stürme, Schlummerszenen, das Auftreten böser Träume, herabschwebende Gottheiten, Unterweltszenen.

Während die Sprachbarriere die Rezeption der französischen Oper außerhalb Frankreichs bis heute einschränkt, sind es die instrumentalen Stücke aus den Divertissements, die dank ihrer kunstvollen Orchestrierung und vielseitigen Tanzrhythmen Eingang in die Konzertprogramme finden.

Hippolyte et Aricie basiert auf Racines Tragödie Phèdre, in deren Mittelpunkt die zerstörerische Leidenschaft Phèdres zu ihrem Stiefsohn Hippolyte steht. Die Oper führt ein großes Spektrum von Leidenschaften vor, indem sie neben die monströse Liebe Phèdres die zärtliche Zuneigung zwischen Hippolyte und Aricie stellt.

Die Ouvertüre in d-moll, der Tonart Phèdres, zeigt die tragische Dimension der Leidenschaft. Galante Formen der Liebe – galant war ein Ideal der Zeit und umfasste maßvolle Zurückhaltung, aber auch Empfindsamkeit und Zärtlichkeit – bestimmen den Prolog, in dem Amor auftritt, und die Beziehung zwischen Hippolyte und Aricie.

Die zugehörigen Tanzsätze und Airs umfassen Ausdrucksdimensionen zwischen drängender Sehnsucht und entspannter Freude, mit Holzbläsern und Streichern abwechslungsreich instrumentiert.

Einen Kontrast dazu bilden die dem Unterweltsakt entnommenen Sätze, in denen Rameau mit spezifisch dunkler Instrumentation, stampfenden Rhythmen und teils rasanten Tempi die Wut der Furien und Unterweltsgötter malt. Das Ballet héorique Zaïs (Text: Louis de Cahusac) verbindet ein typisch pastorales Sujet, die Liebe eines Genius zu einer Hirtin, mit freimaurerischen Ideen, nämlich der Entstehung der geordneten Welt aus dem Chaos in Ouvertüre und Prolog.

In der Ouvertüre charakterisiert Rameau durch zusammenhanglose Reihung musikalischer Bausteine – Skalen, Dreiklänge, Repetitionen – das Chaos. Auch in Zaïs erscheint Amor im Prolog, um die Genien mit seinem Feuer bekannt zu machen.

Der Luftgeist Zaïs gewinnt, als Hirte verkleidet, die Liebe der Hirtin Zéleide, will jedoch die Ernsthaftigkeit ihrer Zuneigung durch verschiedene Proben bewiesen sehen. Zéleide erweist sich den Verführungsversuchen gegenüber immun und wird mit Unsterblichkeit belohn. In den künstlerischen Darstellungen der pastoralen Welt im 18. Jahrhundert manifestiert sich die Sehnsucht der Hofgesellschaft nach einem natürlichen, friedvollen Leben. Rameaus Musik malt jedoch keine Idylle, sondern enthält bereits die Gewissheit um die Unmöglichkeit ungetrübten Glücks.

Dissonanzenreiche, spannungsgeladene Harmonien, die polyphone Verflechtung von Stimmen oder kontrastreiche Gegenüberstellung von Dur- und Mollabschnitten kennzeichnen die meisten Sätze. Zu den graziösen Tänzen voller Innenspannung bilden rhythmisch lebhafte, vollstimmige Sätze einen wirkungsvollen Gegensatz. Dr. Philine Lautenschläger 1996 gründet Michi Gaigg gemeinsam mit der Oboistin und Blockflötistin Carin van Heerden das L‘Orfeo Barockorchester und scharte damit ein veritables Klangkollektiv um sich, das in historischer Informiertheit immer wieder von neuem eine ureigene Art des Musikmachens offenbart.

Entdeckungsdrang, die lebendige Pflege eines Repertoires, das von den Suiten des französischen Barock über die Sinfonia des musikalischen Sturm und Drang bis zur Literatur der Klassik und der frühen Romantik reicht, vertrautes Zusammenklingen und ein farbenreich beredtes Klangdasein sind unverkennbare Hörmerkmale des L‘Orfeo Barockorchesters, als dessen Epizentrum und Prima Inter Pares Michi Gaigg mit der Geige in der Hand oder als Dirigentin fungiert.

L‘Orfeo erhebt eine unüberhörbar markante Stimme – zahlreiche Preise für ihre umfassenden CD-Einspielungen – von Diapason, Pizzicato („Supersonic Award“), Le Monde de la Musique, Fono Forum, Radio Österreich 1 („Pasticcio-Preis“) bis hin zum Deutschen Musikpreis „Echo Klassik“ – wissen dies zu unterstreichen. (www.lorfeo.com)

Entscheidende Impulse für ihren musikalischen Werdegang erhielt die österreichische Dirigentin und Orchesterleiterin Michi Gaigg während ihres Studiums am Salzburger Mozarteum in den Vorlesungen von Nikolaus Harnoncourt um sich anschließend bei Ingrid Seifert und Sigiswald Kuijken der Barockvioline zuzuwenden.

Michi Gaigg sammelte wertvolle Erfahrungen in international renommierten Ensembles wie London Baroque sowie unter Frans Brüggen, Alan Curtis, Christopher Hogwood, René Jacobs, Ton Koopman und Hermann Max bevor sie 1996 zusammen mit Carin van Heerden das L‘Orfeo Barockorchester gründete.

Seit 1994 unterrichtet Michi Gaigg am Institut für Alte Musik der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz. Mit der Leitung der donauFESTWOCHEN im strudengau setzt Michi Gaigg seit 2003 auch als Intendantin Akzente, wofür sie mit dem Großen Bühnenkunstpreis des Landes Oberösterreich ausgezeichnet wurde.

Streichtrio-Berlin Cover CD

STREICHTRIO BERLIN

Das künstlerische Klima Paris‘ im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts war geprägt vom Surrealismus, der, angeführt durch seinen Protagonisten Jean Cocteau, in Dichtung, Malerei und Film Einzug hielt.

Streichtrio-Berlin Cover CD
STREICHTRIO BERLIN Thomas Selditz, Violine / violin Felix Schwartz, Viola · Andreas Greger, Violoncello / cello „Musique pour faire plaisir“
Mehr aus freundschaftlichen Beziehungen als aus Gründen der gemeinsamen künstlerischen Gesinnung entstand 1918 um Cocteau die Groupe des Six – in Analogie zum Mächtigen Häuflein der Fünf in Russland –, in der sich sechs französische Komponisten zusammenschlossen.

Ihr vages ästhetisches Programm definierte sich allenfalls ex negativo, nämlich in der Ablehnung des vorherrschenden Wagnerismus ebenso wie der impressionistischen Schwärmerei und der elitären Dodekaphonie Schönbergs. Stilistisch stehen die meisten Werke der Six dem Neoklassizismus nahe; die Komponisten bedienen sich des klassischen Formenkanons und setzen gezielt auf klare Struktur und Verständlichkeit ihrer Musik.

Die heute bekanntesten Mitglieder der Groupe des Six, die allerdings bereits zu Beginn der 20er Jahre wieder zu zerfallen begann, sind Francis Poulenc, Arthur Honegger und der seiner Zeit ebenso populäre wie provokative Darius Milhaud, der zum musikalischen Wortführer der Verbindung avancierte. Eine weitere Komponistengestalt, die der Gruppe von der musikalischen Ausrichtung her nahe stand, war Jean Françaix.

Besonders zu Darius Milhaud ergeben sich offensichtliche Ähnlichkeiten: Beide Komponisten waren ausgesprochene Vielschreiber – Milhauds OEuvre umfasst ganze 443 Werke! –, die ihre Arbeit im besten Sinne als ein Handwerk verstanden, um sich von der Avantgarde zu distanzieren, die ihre „intellektuelle“ Musik mithilfe komplexer theoretischer Gebilde erdachte. Milhaud und Françaix legten Wert darauf, dass ihre Musik nicht für eine intellektuelle Elite, sondern für jedermann hörbar sein sollte – eine „musique sérieuse sans gravité“ (dt.: „seriöse Musik ohne Schwere“), wie Françaix sie nannte, mit dem obersten Ziel des „faire plaisir“ (dt.: „Freude bereiten“).

Dass folglich die Grenzen zwischen der so genannten „ernsten“ und der „Unterhaltungsmusik“ praktisch aufgelöst wurden, entging den Kritikern nicht. Als skandalös empfanden sie beispielsweise Darius Milhauds Machines agricoles op. 56, in der der Komponist Texte aus einem Katalog für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge vertonte. Musikalischer Schalk und Provokation stehen im Werk Milhauds unmittelbar neben „seriösen“ Kompositionen wie seinen 18 Streichquartetten.

Ein weiteres Element, das zahlreiche Kompositionen Milhauds wie auch einiger seiner Kollegen prägt, ist das Exotische. Milhaud sammelte Eindrücke in Brasilien und ließ sich vom Jazz in London inspirieren. Auch Albert Roussel und André Jolivet komponierten Musik mit exotischen Anklängen; Ersterer war durch Südostasien gereist und Letzterer hatte vor allem aus Nordafrika und durch die Kolonialausstellung von 1931 Anregungen erhalten.

Hatten um die Jahrhundertwende noch Georges Bizet („Carmen“) und Maurice Ravel („Rapsodie Espagnole“) die Klänge der spanischen Nachbarschaft als exotischen Reiz empfunden, so öffnete sich nun für die neuere Komponistengeneration ein geographisch breiterer Horizont auf der Suche nach „dem Fremden“.

Anders als Milhaud und Roussel suchte Jolivet in der Exotik noch ein anderes, weitaus esoterischeres Element, nämlich die „incantacion magique“, die „magische Beschwörung“, die der Musik als Teil eines „système cosmique universel“ ihre unmittelbare Natürlichkeit wiedergeben sollte.

Gleichzeitig experimentierte er mit akustischen und elektroakustischen Phänomenen und begeistere sich für die 1928 entwickelten Ondes Martenot. 1935 schrieb Jolivet Trois Poèmes für Ondes Martenot und Klavier. Im selben Jahr beendete er die Arbeit an seiner Suite für Streichtrio und gründete (u.a. zusammen mit Olivier Messiaen) die Vereinigung zur Förderung zeitgenössischer Kammermusik La Spirale.

Aus ihr ging ein Jahr später La Jeune France hervor, eine Art Komplementärgruppe zur bereits zerfallenen Six, die den Neoklassizismus zugunsten einer mehr auf den menschlichen Ausdruck bezogenen Musik ablehnte.

Der erste Entwurf zu André Jolivtes Suite für Streichtrio entstand während seiner Unterrichtsjahre bei dem Chordirigenten Paul Le Flem, der den begabten Komponisten 1930 Edgar Varèse als Schüler empfahl. Mit ihm setzte sich Jolivet drei Jahre lang vorrangig mit der Musik der Zweiten Wiener Schule und Béla Bartóks auseinander.

In der Suite für Streichtrio sind Reminiszenzen an Bartók vor allem in der energisch-schroffen Rhythmik des Kopfsatzes hörbar. Triller und Tremoli nehmen zum Teil geräuschhafte Gestalt an, was auf den Einfluss Edgar Varèses verweist und in den innigen, bisweilen melancholisch gefärbten Kantilenen der langsamen Mittelsätze meint man Anklänge an Maurice Ravel zu hören.

Trotz des gelegentlichen Vorwurfs, Jolivet verfalle in seinen Kompositionen dem Eklektizismus und trotz ihrer mystisch-panreligiösen Andersartigkeit, fanden seine Werke mit ihrer farbigen Lebendigkeit und ihrer innigen Expressivität viel positive Resonanz. 1964 ermittelte man Jolivet sogar als den meistgespielten lebenden Komponisten Frankreichs.

Auch Darius Milhaud erfreute sich großer öffentlicher Aufmerksamkeit, wenngleich diese nicht selten mit heftiger Kritik an dem „kreativen Chamäleon“, das nie recht in ein stilistisches Raster passen wollte, einherging. Das Trio op. 274 und die Sonatine à trois op. 221b markieren kurioserweise die Eckpunkte von Milhauds Exil in den USA.

1940 wurde Frankreich durch die deutschen Truppen besetzt und der bereits kranke und bettlägerige Komponist nahm die beschwerliche Reise über den Atlantik auf sich. Noch während der Überfahrt erhielt er das Angebot für einen Lehrstuhl in Oakland, den er von da an und noch über sein Exil hinaus innehatte.

Die Sonatine, die 1940 entstand, ist möglicherweise als eine Art Abschied von der französischen Heimat zu verstehen, während das Trio die Rückkehr nach Paris im Jahr 1947 markiert. Tatsächlich sind einige Passagen der nur rund fünfminütigen Sonatine in einem für den musikalischen Till Eulenspiegel Milhaud eher untypischen melancholisch-schwermütigen Ton gehalten. Der hochexpressive und sehr intime Mittelsatz ist von nachdenklichen Klängen erfüllt, die durchaus als Reaktion auf den erzwungenen Abschied gedeutet werden können. Im dritten Satz ist jedoch jede Wehmut verflogen und das kapriziöse Spiel aus Pizzicati und einer charmant-heiteren Melodie vermitteln Zuversicht.

Anklänge an die Country- Musik schlagen den Bogen in die Vereinigten Staaten. Das Trio eröffnet mit Schwung und Leichtigkeit. Die verträumten Melodiebögen scheinen eine pittoreske Idylle zu beschreiben (Vielleicht die geliebte französische Heimat, der Milhaud im selben Jahr ein Portrait der Rhône widmen sollte?). Das Werk ist sehr kontrastreich angelegt: Der zweite und vierte Satz wirken über weite Strecken nachdenklich, teilweise geradezu elegisch. Man mag vermuten, dass das Nachkriegs-Paris ein anderes war, als das, welches Milhaud sieben Jahre zuvor verlassen musste.

Die leichtfüßig-tänzerische Schlussfuge des fünften Satzes schlägt jedoch erneut den Bogen zum heiteren Kopfsatz und endet in einem apotheotisch-jubelnden Durakkord. Albert Roussels Streichtrio a-Moll op. 58 sollte sein Schwanengesang sein, denn es war das letzte Werk, das der Schwerkranke 1937 vor einer tödlichen Herzattacke niederschrieb.

Bis zuletzt hatte Roussel unermüdlich komponiert, sich an der Gestaltung der Pariser Weltausstellung beteiligt und sich in mehreren Ehrenämtern engagiert.

Der musikalische Individualist entschied sich spät für das Komponistendasein, denn er hatte zunächst die Offizierslaufbahn bei der Marine eingeschlagen und schloss erst 1907, im Alter von 38 Jahren, seine Kompositionsstudien ab.

Das neoklassizistische Streichtrio ist von großer Plastizität und formaler Klarheit geprägt – der vielseitig talentierte Roussel liebte zeitlebens die Mathematik und Logik – bei gleichzeitig hochexpressiver Melodieführung und farbenreicher Harmonik.

Das 1933 komponierte Trio von Jean Françaix ist ein spritziges Jugendwerk des 21-jährigen Komponisten, das den drei Pasquier-Brüdern, die sich später zu einem festen Streichtrio zusammenschlossen, zugeeignet ist. Schon hier zeigt sich der Personalstil Françaix‘ nahezu ausgereift. Rhythmische Raffinesse, Vitalität und Leichtigkeit erfüllen fraglos den Anspruch einer „musique sérieuse sans gravité“.

Besonders das Scherzo, ein federnder, stellenweise ins Derbe übertriebener Tanz, der rhythmisch durch Schwerpunktverlagerungen immer wieder aus dem Gleichgewicht ins Schwanken gerät, besticht durch seinen musikalischen Witz. Zweifelsohne: „musique pour faire plaisir“! Susanne Ziese Streichtrio Berlin Thomas Selditz – Violine Felix Schwartz – Viola Andreas Greger – Violoncello „Die drei bilden ein traumhaft sicher abgestimmtes Trio“, denn „Selditz, Schwartz und Greger sind ein hundertprozentig eingespieltes Team, das sich blind versteht“, schrieb die Bonner Rundschau vor Kurzem und die FAZ schwärmte von „exzellenter Balance“.

Publikum und internationale Presse – von der Ensemblekunst auf höchstem Niveau seit Jahren begeistert – attestieren dem Streichtrio Berlin eine besonders konzentrierte, von Spannung erfüllte Bühnenpräsenz, die sich auf den Hörer überträgt. Für spielerische Gestik wird besonders Raum geschaffen, indem Violine und Viola stehend spielen. 1991 unter dem Namen Gaede Trio in Berlin gegründet, spielt das Ensemble seit 2006 in der Besetzung mit Thomas Selditz (Violine), Felix Schwartz (Viola) und Andreas Greger (Violoncello), jetzt unter neuem Namen Streichtrio Berlin.

Derzeit wieder erhältlich sind zahlreiche Einspielungen bei Sony/Japan, Largo Records und Tacet, die unter dem Namen Gaede Trio veröffentlicht wurden. Besonders hervorzuheben sind darunter die Aufnahme der Trios von Beethoven, der Goldberg-Variationen, sowie des Streichtrios „Le Chimay“ von Eugène Ysaÿe, die allesamt uneingeschränktes Lob durch die Fachpresse und Auszeichnungen wie „Audiophile CD des Monats“ (Stereoplay), „Stern des Monats“ (FonoForum), „Empfehlung des Monats“ (Klassik Heute) und den „Diapason d‘Or“ in Frankreich erhielten.

Das Streichtrio Berlin konzertiert weltweit, neben Deutschland zuletzt in England, der Schweiz, der New Yorker Frick-Collection, im Pariser Théâtre du Châtelet und im Wiener Musikverein. Darüber hinaus ist das Ensemble regelmäßiger Gast bei bedeutenden Kammermusikfestivals von der Styriarte Graz und dem Beethovenfest Bonn bis zum Rheingau Musik Festival.

Das Repertoire des Ensembles reicht vom Barock bis zur zeitgenössischen Musik: So schrieben etwa Komponisten wie Georg Katzer und Siegfried Matthus Auftragswerke für das Streichtrio.

Suite für Streichtrio · Suite for string trio
Suite pour trio à cordes (1930)
1 1. Prélude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [4‘10]
2 2. Aria I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [2‘21]
3 3. Aria II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [3‘29]
4 4. Fugue en Rondeau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [8‘58]
DARIUS MILHAUD (1892 – 1974)
Streichtrio · String Trio · Trio à cordes Op. 274 (1947)
5 1. Vif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [2‘49]
6 2. Modéré . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [3‘42]
7 3. Sérénade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [2‘24]
8 4. Canons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [3‘35]
9 5. Jeu Fugué . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [2‘31]
ALBERT ROUSSEL (1869 – 1937)
Streichtrio a-Moll · String Trio in A minor
Trio à cordes en la mineur Op. 58 (1937)
10 1. Allegro moderato . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [4‘17]
11 2. Adagio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [7‘12]
12 3. Allegro con spirito . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [2‘53]
JEAN FRANCAIX (1912 – 1997)
Trio à cordes (1933)
13 1. Allegretto vivo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [2‘20]
14 2. Scherzo. Vivo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [3‘08]
15 3. Andante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [3‘32]
16 4. Rondo. Vivo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [4‘09]
DARIUS MILHAUD (1892 – 1974)
Sonatine à trois Op. 221b (1940)
17 1. Très modéré . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [3‘54]
18 2. Contrepoint. Lent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [1‘24]
19 3. Animé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [1‘58]

The Royal Philharmonic Orchestra Plays Hits of QUEEN CD Cover

The Royal Philharmonic Orchestra Plays Hits of QUEEN

Queen gehört zweifelsohne zu einer der erfolgreichsten Bands aller Zeiten und hat durch ihre äußerst markanten Texte und Melodien inzwischen Kultstatus erreicht.

The Royal Philharmonic Orchestra Plays Hits of QUEEN CD Cover
The Royal Philharmonic Orchestra Plays Hits of QUEEN
Das neue Album „The Royal Philharmonic Orchestra Plays Hits of Queen“ vereint eine Auswahl der schönsten und erfolgreichsten Songs ihrer Bandgeschichte.

Auf diesem Album finden sich Queens Hits wie „We Will Rock You“, „Bohemian Rhapsody “, „I Want It All “, „ Another One Bites The Dust “ oder „ Innuendo “ u.v.a. „The Royal Philharmonic Orchestra plays Hits of Queen“ steht für den Auftakt einer Wiederauflage der bereits in den 90ern sehr erfolgreichen Albumreihe.

Der Sound von Künstlern wie Pink Floyd, Elton John, Prince, Genesis oder Queen trifft auf klassische Melodien und erlebt eine einmalige Interpretation der anderen Art.

The Royal Philarmonic Orchestra – Plays Hits Of Queen

1 / 1 Bohemian Rhapsody
1 / 2 I Want It All
1 / 3 A Kind Of Magic
1 / 4 We Will Rock You
1 / 5 Another One Bites The Dust
1 / 6 Innuendo
1 / 7 Flash
1 / 8 Save Me
1 / 9 Killer Queen
1 / 10 I Want To Break Free
1 / 11 Radio Ga-Ga
1 / 12 We Are The Champions
TOTAL TIME 00:48:37

BONNARD-TRIO-Mendelssohn CD Cover

BONNARD TRIO – MENDELSSOHN

Wenn das Ganze mehr ist als die Summe seiner Stimmen Mit seinen beiden Klaviertrios ist Mendelssohn auf der Höhe seiner Kunst Gleichberechtigung, das aufklärerische Ideal der Klassik, findet im demokratischen Miteinander der vier Instrumente des Streichquartetts seine paradigmatische musikalische Gattung.

BONNARD-TRIO-Mendelssohn CD Cover
MENDELSSOHN PIANO TRIOS OP. 49·66 BONNARD TRIO
Das Klaviertrio hingegen? Seine Besetzung mit Klavier, Violine und Cello scheint einem in der Wiener Klassik längst überwunden geglaubten Hierarchiedenken verhaftet. Denn erkämpft sich das Klavier nicht immer wieder sein Recht zur auftrumpfenden Virtuosität und spielt sich klammheimlich zum Solisten des Trios auf?

Das Klaviertrio erhält den Beigeschmack eines Klavierkonzerts mit minimierter Orchesterbesetzung, mitunter wird es scherzhaft „a poor man‘s piano concerto“ genannt. Die frühen Werke dieser kammermusikalischen Gattung bestätigen den angeblichen Makel: Denn das Cello verdoppelte oftmals schlichtweg die Basslinie des Klaviers, hier hat ein kompositorisches Denken überlebt, das noch zurückgeht auf das Generalbasszeitalter des Barock. Zumal die frühen Klaviertrios der Klassik zählten letztlich „nur“ zur gehobenen gesellschaftlichen Unterhaltungsmusik. Salontrios feierten enorme Erfolge.

Mit Haydn und Mozart setzt die Emanzipation der Streicher ein. Erst durch Ludwig van Beethoven aber wird die Gattung des Klaviertrios zu einer Spielart der Kammermusik, in der die Gleichberechtigung der drei Instrumente vollends Ereignis wird. Beethoven tariert das Kräfteverhältnis zwischen Klavier und Streichern aufs Feinste aus, sorgt für eine enorme satztechnische Elaboration. Mit seinen beiden Klaviertrios knüpft Felix Mendelssohn- Bartholdy an Beethovens Errungenschaften an.

Zumal im Klaviertrio d-Moll op. 49 verleugnet er seine Wurzeln im tiefen Boden der Klassik mitnichten. Robert Schumann wurde durch das Werk zu dem Bonmot veranlasst, Mendelssohn sei der „Mozart des neunzehnten Jahrhunderts“. Er schwärmte über seinen Kollegen, dieser sei „der hellste Musiker, der die Widersprüche der Zeit am klarsten durchschaut und zuerst versöhnt.“ Mendelssohn verströmt in der Tat die Mozartische Eleganz einer Sommermusik.

Im Juni und Juli des Jahres 1839 in Frankfurt am Main während einer rundum unbeschwerten Lebensphase erdacht, wurde das Klaviertrio zum beliebtesten Werk seiner gesamten Kammermusik: Der volkstümliche Tonfall und die Brillanz einfallssprudelner Passagen gehen ohne Umschweife ins Ohr – ob nun das aufwühlende Allegro agitato, das „Lied ohne Worte“ des wunderbar innerlichen langsamen Satzes, das eigensinnig koboldhafte, schelmisch verspielte „Elfenscherzo“ oder der leise einsetzende Finalsatz, der schließlich die disparaten Gefühlswelten der vorangegangenen Sätze in eine sich lösende, nach D-Dur gewandte Feierlichkeit münden lässt.

Das Klaviertrio c-Moll op. 66 ist zwar nur sechs Jahre später entstanden, im Falle dieses so kurzen Komponistenlebens muss uns diese Spanne als eine lange Zeit gelten. Ein hörbar gereifter Mendelssohn hat sein Werk Altmeister Louis Spohr gewidmet, der es sogar – mit Mendelssohn am Flügel – gemeinsam mit ihm gespielt hat.

Am 30. April 1845 ist das Trio fertiggestellt, Felix schenkt es seiner Schwester Fanny zum Geburtstag. Der eingangs geschilderten Herausforderung, an sich ungleiche Instrumente gleichberechtigt aufeinander treffen zu lassen, begegnet Mendelssohn mit einem Kunst- und Rückgriff in die Welt des von ihm so verehrten Johann Sebastian Bach. Er bedient sich einer polyphonen Schreibweise, mithin dem Schlüssel für wirklich große Kammermusik.

Die Unabhängigkeit der Stimmen fordert jedes Instrument gleichermaßen, keiner der ebenbürtigen Spieler kann allein für sich die Melodie beanspruchen. Gleich mit dem elastisch gespannten Hauptthema des Allegro energico e con fuoco beweist Mendelssohn, dass er sich auf seine polyphone Kunst nicht akademisch trocken, sondern geistreich und ungezwungen versteht.

Mit dem Andante espressivo ersinnt Mendelssohn erneut ein melodiöses „Lied ohne Worte“, in dem sich Klavier und Streicher wie in einem sanft wiegenden Duett begegnen. Mit dem Molto allegro quasi presto schreibt Mendelssohn ein Scherzo der blitzenden Ausgelassenheit, huschend kapriziös scheint der Satz verfliegen zu wollen.

Und das Allegro appassionato des Finalrondos findet gewichtige Töne mit langer Geschichte – Bach steht hier einmal mehr Pate. Mendelssohn erweckt den Anschein des Bekannten und ist hier doch ganz er selbst – und auf der Höhe seiner romantischen Kunst, die er hymnisch geradewegs ins Orchestrale steigert. Einmal mehr ist hier das Ganze so viel mehr als die Summe seiner (gleichen) Teile.

Peter W. A. Krause Die Internationale Felix Mendelssohn Bartholdy Gesellschaft e.V. wurde im Jahre 1992 von zahlreichen Persönlichkeiten, darunter die Dirigenten Kurt Masur und Justus Frantz sowie der damalige Präsident der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, Prof. Dr. Dr. h.c. Hermann Rauhe, gegründet. Zur Präsidentin wurde Frau Prof. Dr. h.c. Hannelore Greve gewählt, die dieses Amt bis heute ausübt. Die Gesellschaft sieht sich in der Verantwortung, das Erbe des Komponisten in seiner Geburtsstadt Hamburg zu pflegen und in die Öffentlichkeit hineinzutragen.

Dies geschieht in erster Linie durch Konzerte und Vorträge. Im Besonderen fühlt sich die Gesellschaft der Förderung des künstlerischen Nachwuchses an der Hamburger Musikhochschule verpflichtet, indem sie Studierenden die Möglichkeit eröffnet, Werke Mendelssohns und seiner Zeitgenossen zu erarbeiten und aufzuführen. Weiterhin vergibt sie ein Mendelssohn-Stipendium an besonders qualifizierte und förderungswürdige Studierende. Auch hat die Gesellschaft bisher zwei internationale Mendelssohn- Wettbewerbe in Zusammenarbeit mit der Musikhochschule und der Hamburgischen Staatsoper durchgeführt.

In der Nähe des Standortes des heute nicht mehr vorhandenen Geburtshauses haben die Gesellschaft und die Hamburgische Stiftung für Wissenschaften, Entwicklung und Kultur Helmut und Hannelore Greve je ein Denkmal für Felix Mendelssohn Bartholdy und seine als Komponistin in seinem Schatten stehende Schwester Fanny Hensel Mendelssohn errichtet. Ebenso wurde die in der St. Michaelis-Kirche angebrachte Gedenktafel für den Komponisten des „Paulus“ und des „Elias“ von der Gesellschaft gestiftet. Auch erreichte die Gesellschaft, dass die Freie und Hansestadt Hamburg im Stadtteil Eimsbüttel einen Platz nach Fanny Mendelssohn benannt hat.

Regelmäßig finden Vorträge international renommierter Musikwissenschaftler und Historiker über Themen aus Leben und Werk Felix Mendelssohn Bartholdys, seiner Schwester Fanny und seiner Familie statt. Diese Vorträge werden in der Buchreihe der Hamburger Mendelssohn-Vorträge veröffentlicht. Lesungen aus der literarischen Hinterlassenschaft Mendelssohns durch bekannte Schauspieler wie Fritz Lichtenhahn und Christian Quadflieg runden das Programmangebot ab.

Trio für Klavier, Violine und Violoncello d-Moll op. 49
Trio for piano, violin and cello in D minor Op. 49
1. Molto Allegro agitato [8‘49]
2. Andante con moto tranquillo [6‘23]
3. Scherzo. Leggiero e vivace [3‘36]
4. Finale. Allegro assai appassionato [8‘50]
Trio für Klavier, Violine und Violoncello c-Moll op. 66
Trio for piano, violin and cello in C minor Op. 66
5. Allegro energico e con fuoco [9‘47]
6. Andante espressivo [6‘41]
7. Scherzo. Molto allegro quasi presto [3‘38]
8. Finale. Allegro appassionato [7‘36]

BONNARD TRIO

Olena Kushpler, Klavier / piano
Hovhannes Baghdasaryan, Violine /

Koenigskinder ENGELBERT HUMPERDINCK CD Cover

Engelbert Humperdinck „Königskinder“

Vierzehn Opern und Singspiele komponierte Engelbert Humperdinck, der 1854 in Siegburg als Sohn eines Gymnasiallehrers und einer Kantorentochter geboren wurde.

Koenigskinder ENGELBERT HUMPERDINCK CD Cover
ENGELBERT HUMPERDINCK (1854 - 1921) · KÖNIGSKINDER Märchenoper in drei Aufzügen (1897 / 1907 - 1910)
Sechs davon sind Märchenopern, eine blieb bekannt: ›Hänsel und Gretel‹. Der Schatten des Erfolgswerks verdeckt andere, die für ihre Qualität und Theaterwirkung gleiche Aufmerksamkeit verdienten, etwa die ›Königskinder‹. Sie sind wie eine Ergänzung auf die Rückseite von ›Hänsel und Gretel‹ geschrieben.

Das Trio der Hauptakteure gleicht sich: eine (böse) Hexe und zwei junge Leute, die durch harte Prüfungen auf den existenziellen Ernst des Lebens hingeführt werden. Die einen schaffen den Schritt ins Leben, die andern scheitern, weil sie zu gut sind für diese Welt. Die Oper ›Hänsel und Gretel‹ findet zum happy end, die ›Königskinder‹ enden tragisch; die Trauer darüber komponierte Humperdinck lang und ausführlich aus.

Wenn in der Schlusssequenz der knapp dreistündigen Oper erst der Spielmann sein letztes Lied singt, dann die Kinder aus der Stadt den jungen Toten im Abendrot des winterlichen Berges ihr »Königskinder, Königskinder« nachrufen, wird jeder gerührt und ergriffen.

Noch ehe sie ihre Liebe, ihre hohe ethische Einstellung und ihren sozialen Rang verantwortlich leben können, scheiden diese beiden Guten aus der Welt. Das Libretto schrieb Elsa Bernstein- Porges 1894 unter ihrem Pseudonym Ernst Rosmer. Sie kam aus einem musikalischen Haushalt. Ihr Vater Heinrich Porges (1837–1900), Dirigent und Musikschriftsteller, in einer Prager jüdischen Familie aufgewachsen, angeblich ein unehelicher Sohn Franz Liszts und damit Cosima Wagners Stiefbruder, war ein glühender Anhänger Richard Wagners.

Als solchen berief ihn König Ludwig II. von Bayern 1867 als Hofkapellmeister nach München, wo die Familie fortan lebte. Zuvor war sie, noch in Wien, vom jüdischen zum evangelischen Glauben übergetreten.

1880 gehörte Porges mit Engelbert Humperdinck zum Assistentenstab, der die Bayreuther ›Parsifal‹-Uraufführung vorbereitete. Elsa Porges, 1866 in Wien geboren, wuchs in München auf.

Eine Laufbahn als Schauspielerin brach sie wegen eines Augenleidens ab und konzentrierte sich fortan auf das Schreiben insbesondere von Dramen. Aus dem Umkreis des Naturalismus bewegte sie sich immer mehr Richtung Symbolismus und Impressionismus.

Im Oktober 1890 heiratete sie Max Bernstein, als Geheimer Justizrat ein angesehener Anwalt, im Nebenberuf Schriftsteller. Bis zu seinem Tod 1925 unterhielt er mit seiner Frau einen literarisch-musikalischen Salon in der Brienner Straße im Herzen Münchens. Sie führte diesen bis zum Jahre 1939 weiter. Dann musste sie auf Anordnung der Nationalsozialisten ihre Wohnung aufgeben. Angebote, in die USA zu emigrieren, schlug sie aus, weil ihrer Schwester die Ausreise verweigert wurde.

Die enge Beziehung zur Familie Wagner und die Tatsache, dass ihre Tochter mit dem Sohn des Dichters Gerhard Hauptmann verheiratet war, bewahrte sie nicht vor der Lagerhaft.

Am 25. Juni 1942 wurde sie, 76-jährig und praktisch blind, mit ihrer Schwester Gabriele erst nach Dachau, dann nach Theresienstadt deportiert. Gabriele Porges starb nach wenigen Monaten.

Elsa Bernstein erhielt – angeblich auf Intervention Winifred Wagners – den »Prominentenstatus« und überlebte. Sie starb am 2. Juli 1949 bei ihrer Tochter in Hamburg. Die ›Königskinder‹ zählen zur ersten Gruppe ihrer Dichtungen. Zunächst waren sie als Schauspiel gedacht.

Heinrich Porges sprach 1895 Engelbert Humperdinck wegen einer Bühnenmusik an. Der sagte zu, überdachte die Art der Komposition und entschloss sich für ein Melodram. Darin kamen praktisch alle Abstufungen im Verhältnis von Sprache und Musik von normaler Rede bis zum Gesang vor. Die Fassung erntete bei ihrer Premiere in München guten Erfolg. Dennoch wagten nur wenige Opernhäuser, sie nachzuspielen. Humperdinck entschloss sich zehn Jahre später, das Werk zu einer Oper umzuarbeiten.

Der Text musste gekürzt, die Linien der Handlung vereinfacht werden. Elsa Bernstein ließ dem Komponisten dabei freie Hand.

So entstand zwischen 1907 und 1910 die Oper ›Königskinder‹. Der Form nach baut sie auf Wagners Musikdramen auf, bezieht sich hörbar auf dessen Werke, auf die Harmonik und Zeitgestaltung in ›Tristan und Isolde‹, auf die Festszenen der ›Meistersinger‹. Humperdinck übernahm nicht die streng zuordnende Komposition mit Leitmotiven, die Personen, Beziehungen oder Handlungsweisen charakterisieren. Er ersetzte sie durch »Erinnerungsmotive « und atmosphärisch-klangliche Entsprechungen, die der Musik größere Beweglichkeit lassen.

Deutlicher als Wagner setzte er Stilebenen zur Kennzeichnungen dramatischer Milieus ein. Der zweite Akt trägt eine vollkommen andere Grundfarbe als der erste, der dritte unterscheidet sich trotz aller Querbezüge erkennbar von den beiden anderen.

Der Volkston ist in diese Stilistik bruchlos einbezogen. Einzelne melodramatische Elemente übernahm der Komponist auch in die Oper, kurze gesprochene Passagen, vor allem aber die Komposition des Zeiterlebens, die dramatischen Verdichtungen im zweiten Akt und die nachsinnenden Dehnungen am Schluss.

Zwischen Wagners ›Tristan‹, Debussys ›Pelléas et Mélisande‹ und Richard Strauss‘ ›Elektra‹ markieren die ›Königskinder‹ eine eigene Position in einer Zeit des geschichtlichen Umbruchs. Habakuk Traber Synopsis

I. Akt: Vor der Hütte der Hexe im Hellawald

Tief im Wald in den Hellabergen, weit weg von den Wohnsiedlungen der Menschen, lebt ein junges Mädchen bei einer Hexe, die sich als seine Großmutter ausgibt. Vater und Mutter seien tot.

Die Waise, in Wirklichkeit königlicher Herkunft, dient als Gänsemagd. Ihre Sehnsucht, zu den Menschen zu kommen, beantwortet die Hexe mit einem Bann, der das junge Mädchen an die Waldgegend bindet, und mit dem Befehl, aus giftigen Zutaten ein unverderbliches Brot zu backen. Während einer kurzen Abwesenheit der Hexe trifft ein Königssohn, der aus dem Wald kommt, die Gänsemagd. Sie lieben sich, er will sie mit sich nehmen, doch sie kann sich vom Bann nicht befreien.

Die Hexe erfährt von der Begegnung und sperrt die Gänsemagd ein. Spielmann, Holzhacker und Besenbinder – Vertreter von Berufen am unteren Ende der sozialen Skala – erzählen, dass die Leute in Hellabrunn einen König wollen, und fragen die Alte um Rat. Wer am nächsten Tag zur Mittagsstunde durchs Tor die Stadt betrete, werde der wahre König sein, prophezeit sie. Der Spielmann klärt die edle Herkunft der Gänsemagd auf, sie berichtet den Gästen vom Besuch des Königssohns. Nunmehr gewiss, dass sie die Königinnenwürde verdiene, zieht sie mit dem Spielmann los, um den Königssohn zu suchen.

II. Akt: Auf dem Stadtanger von Hellabrunn

Hellabrunn bereitet ein Fest vor: Man erwartet den Einzug des Königs, wie von der Hexe verheißen. Der Königssohn ist schon in der Stadt, als Bettler übernachtete er im Schweinestall des Wirts, dem er seine Dienste anbietet; er nimmt sogar die Arbeit als Schweinehirt an, denn ein künftiger König müsse sich in der Niedrigkeit der Existenz bewähren.

Er wehrt die Zudringlichkeit der Wirtstochter ab, träumt von der Gänsemagd. Die Stadttore werden verschlossen gehalten, damit keiner die Mittagsstunde abpasse, um sich zum König zu machen. Die Argumente des Prinzen in Bettlergestalt, dass man einen König nicht an äußerer Pracht erkenne, weil er auch als Armer verkleidet kommen könne, beantwortet das Volk mit Hohn. Zum Schlag der Mittagsglocke zieht die Gänsemagd mit ihren Tieren durchs Tor. Der Königssohn begrüßt sie als Königin und schließt sie in die Arme. Die Menge will die beiden nicht als Herrscherpaar anerkennen und jagt sie aus der Stadt. Der Spielmann, der für sie argumentierte, wird gefangen genommen und misshandelt. Nur das Töchterchen des Besenbinders erkennt, dass sie die Könige waren.

III. Akt: Vor der Hütte der Hexe Winter.

Die Hütte der Hexe ist vom Hellabrunner Mob demoliert, die Fenster eingeworfen, die Hexe selbst verbrannt. In der Hütte haust der Spielmann, der aus der Stadt verbannt wurde. Holzhacker, Besenbinder und die Kinder wollen ihn zurückholen. Er verspricht, mit den Kindern das junge Königspaar zu suchen. Derweil kommt der Königssohn, in ein Bärenfell gekleidet, mit der Gänsemagd auf dem Arm über den Berg zur Hütte. Er bittet um Essen und Trinken für die Kranke. Der Holzhacker weist ihn ab. Der Königssohn zerschlägt die Krone und bietet Gold für etwas Nahrung.

Holzhacker und Besenbinder geben ihm das Brot, das die Gänsemagd einst für die Hexe backen musste. Beide essen davon und sterben. Der Spielmann setzt die Bruchstücke aus Gold zur Krone zusammen, sucht nach den Königskindern, findet sie tot im Winterwald und nimmt mit den Kindern aus der Stadt Abschied von ihnen.

CD 1 – I. Akt: Vor der Hexenhütte im Hellawald
1 Einleitung ›Der Königssohn‹ . [5‘42]
2 Hexe, Gänsemagd ›He Trulle! Wo mag sie nur stecken?‹ . [10‘40]
3 Gänsemagd ›Ach, ich bin allein!‹ . [2‘55]
4 Königssohn, Gänsemagd ›Ich biete dir gute Zeit, schöne Gänsekönigin!‹ . [18‘26]
5 Hexe, Gänsemagd ›Hörst du nicht?‹ . [2‘16]
6 Spielmann, Hexe, Holzhacker, Besenbinder ›Drei Narren zogen aus‹ . [9‘59]
7 Hexe, Spielmann, Gänsemagd ›Was packst du dich nicht mit deinen Gesellen?‹ . [9‘33]

CD 2 – II. Akt: Auf dem Stadtanger von Hellabrunn
1 Einleitung ›Hellafest und Kinderreigen‹ . [3‘06]
2 Stallmagd, Wirtstochter, Königssohn ›Jungfer, das ist ein Leben in der Stadt!‹ . [7‘25]
3 Königssohn ›Ei, ist das schwer, ein Bettler sein!‹ . [3‘51]
4 Einige Burschen, Torwächter, Mädchen, Wirt, Stallmagd, Königssohn, Kinder
›Torwächter, macht uns auf!‹ . [4‘14]
5 Volk, Wirt, Stallmagd, Kinder, Besenbinder, Holzhacker ›Vivat der Holzhacker!‹ . [2‘57]
6 Töchterchen des Besenbinders ›Du! Mann!‹ . [1‘55]
7 Volk, Ratsältester, Königssohn, Holzhacker, Schneider, Besenbinder,
Kinder, Wirt, Wirtstochter ›Die Ratsherren kommen‹ . [7‘40]
8 Ratsherren, Königssohn, Holzhacker, Besenbinder, Frau, Schneider, Gänsemagd,
Stallmagd, Wirtstochter, Wirt, Spielmann, Volk, Ratsältester,
Töchterchen des Besenbinders ›Die Glocken! Mittag!‹ . [6‘37]

CD 3 – III. Akt: Vor der Hütte der Hexe
1 Einleitung ›»Verdorben – gestorben« – Spielmanns letzter Gesang‹ . [9‘20]
2 Spielmann ›Meine grauen Täublein!‹ . [2‘20]
3 Holzhacker, Spielmann, Besenbinder, Töchterchen des Besenbinders, Kinder
›Hier, Besenbinder, hier ist die Wende.‹ . [12‘05]
4 Gänsemagd, Königssohn, Holzhacker, Besenbinder ›Du Lieber!‹ . [3‘39]
5 Gänsemagd, Königssohn ›Wir sind Bettler!‹ . [10‘21]
6 Königssohn, Gänsemagd, Holzhacker, Besenbinder ›Einst hatt ich Gold‹ . [3‘48]
7 Königssohn, Gänsemagd ›Hast schon wieder ein wenig Rot‹ . [9‘01]
8 Spielmann, Holzhacker, Besenbinder, Töchterchen des Besenbinders, Kinder
›Tapfer, ihr Kinder, voran!‹ . [7‘53]
Gesamt . [156‘00]

ENGELBERT HUMPERDINCK (1854 – 1921) · KÖNIGSKINDER

Märchenoper in drei Aufzügen (1897 / 1907 – 1910)
Text von Ernst Rosmer (Pseudonym für Elsa Bernstein-Porges)

KLAUS FLORIAN VOGT, Tenor. Königssohn
JULIANE BANSE, Sopran. Gänsemagd
CHRISTIAN GERHAHER, Bariton. Spielmann
GABRIELE SCHNAUT, Mezzosopran . Hexe
ANDREAS HÖRL, Bassbariton. Holzhacker
STEPHAN RÜGAMER, Tenor. Besenbinder
SOPHIA SCHUPELIUS. Töchterchen des Besenbinders
(Solistin des Berliner Mädchenchors) .
WILFRIED STAUFENBIEL, Bass. Ratsältester
ANTE JERKUNICA, Bass. Wirt
JACQUELYN WAGNER, Sopran. Wirtstochter
RENÉ VOSSKÜHLER, Tenor. Schneider
MANUELA BRESS, Mezzosopran. Stallmagd
SÖREN VON BILLERBECK, Bariton. Torwächter
WOLFRAM TESSMER, Bariton. Torwächter
ROKSOLANA CHRANIUK-WIJA, Alt. Frau
RUNDFUNKCHOR BERLIN
(Einstudierung / Chorus Master: Nicolas Fink)
BERLINER MÄDCHENCHOR
(Einstudierung / Chorus Master: Sabine Wüsthoff)
DEUTSCHES SYMPHONIE-ORCHESTER BERLIN

Crystal Classics

Mit Crystal Classics zieht ein weiteres hochwertiges Klassiklabel ins Haus der Delta Music & Entertainment ein.

Philippe Sautot, Geschäftsführer der Delta Music, erfüllt sich damit einen lang gehegten Wunsch.

Nach erfolgreichen Jahren mit dem Label Capriccio soll nun mit ähnlichem Konzept, einer Mischung aus Nischenrepertoire und populären Neuproduktionen, ein zukunftsweisendes Musikprojekt gestartet werden.

Der derzeit verfügbare Katalog lässt bereits aufhorchen. So findet sich neben CDs mit populären Sujets wie „Im Glanz von Sanssouci“, „Chopin – Meisterwerke“ und „Musikstadt Dresden“ vor allem hochinteressantes Nischenrepertoire.

Selten aufgeführte Werke der ganz Großen entdeckt man im Labelprogramm ebenso wie Exzellentes von weniger bekannten Komponisten.

Crystal Classics hat gleichermaßen etablierte Starinterpreten und noch zu entdeckende Nachwuchskünstler im Angebot. Ab sofort wird das Label pro Jahr zirka ein Dutzend neue Produktionen vorlegen.

Spannendes verspricht die Zukunft etwa mit einer hochkarätig besetzten Einspielung von Engelbert Humperdincks „Königskinder“ (Banse, Gerhaher, Schnaut, Metzmacher), dem Solodebüt von Bassbariton Hanno Müller-Brachmann und dem kompletten Klavierwerk des finnischen Komponisten Erki Melartin.

Mueller-Brachmann CD Cover

Müller-Brachmann: „Lieder • Songs“

Bassbariton Hanno Müller-Brachmann besuchte die Liedklasse von Dietrich Fischer-Dieskau und legte sein Konzertexamen bei Rudolf Piernay ab.

Mueller-Brachmann CD Cover
Müller-Brachmann: "Lieder • Songs"

Nach Erfolgen bei internationalen Wettbewerben gastierte er in Europa, Japan und den USA mit führenden Orchestern unter Dirigenten wie Barenboim, Rattle, Abbado, Harnoncourt und Masur.

Neben dem Oratorium und der Oper ist das Lied ein weiterer Schwerpunkt in seiner Sängerkarriere.

Auf seinem Solodebüt widmet sich Müller-Brachmann dieser Kunstform mit großer Ernsthaftigkeit und einem unbändigen Gestaltungswillen.

Die Goethe-Vertonungen von Ferruccio Busoni (1866 – 1924) beispielsweise deutet der deutsche Vokalist aus dem Lebensgefühl der Gegenwart heraus und wird dem Notentext der rund neunzig Jahre alten Lieder doch in jedem Moment gerecht.

Seine Interpretationen sind zeitgemäß und traditionsverbunden zugleich. Busoni vertonte die Goethe-Texte übrigens eher konventionell in der Nachfolge der klassisch-romantischen Song-Schule, mit seinen radikalen musiktheoretischen Schriften wie dem „Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst“ haben sie kaum etwas gemein.

Die von Arnold Schönberg (1874 – 1951) ausgewählten Lieder zeichnen dessen Entwicklung als Komponist zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach.

Während seine frühen Levetzow-Lieder noch dem Erbe eines Johannes Brahms verpflichtet sind, bewegt sich der Zwölftonpionier in der Ballade „Der verlorene Haufen“ von 1906 mit mehrdeutigen Akkorden bereits mutig am Rande der Tonalität.

Die „Sechs Lieder für Bassstimme und drei Instrumente“ von Michael Gielen (*1927) zuguterletzt verarbeiten laut eigener Aussage die geistig-künstlerische Vergangenheit des Komponisten.

In dem autobiographisch angetriebenen Werk befreit sich Gielen aus dem Wirkungskreis von Vorbildern wie Anton Webern und dokumentiert zugleich seine Bindung an und die Ablösung von den Religionen.

Als junger Mann waren diese Lieder für ihn ein Akt der Selbstfindung, er löste sich von Tradiertem und fand zum eigenen Stil. Völlig zu Recht sagt Gielen selbst aus heutiger Sicht über das Opus: „Ich zähle diese sechs Lieder noch heute, sechzig Jahre später, zu einem meiner gelungensten Werke.“